28.07.2018
Vogelnest
Ganz versteckt im Rosenstrauch ist ein Vogelnest. Die Katze kommt nicht heran. Da ist nichts zum Klettern, nur dünne Zweige und viele Blätter. Der perfekte Ort für ein Vogelnest. Die Dornen bieten Schutz.
Zuerst habe ich nur ein Rascheln gehört. Immer wieder flog eine Amsel heran.
Dann habe ich die Eier entdeckt. Grün mit braunen Sprenkeln. Das Vogelpaar kam häufig angeflogen. Vorsichtig und ruhig saß ich derweil etwas abseits in der Ecke. Ich wollte sie nicht verschrecken. Die Vogeltränke haben wir mit Wasser versorgt, es war sehr heiß im Frühsommer.
Eines Morgens entdecke ich Küken im Nest. Kleine verfilzte Wollknäuel.
Und schon kommen die Vogeleltern an. Mit Futter im Schnabel hocken sie auf der Mauer... - aber sie trauen sich nicht heran.
Ich gehe weg, um nicht zu stören.
Später sitze ich ganz ruhig, fast bewegungslos wieder auf meinem Beobachtungsposten, wenige Meter vom Rosenstrauch. Von den Vogelkindern kein Pips. Aber immer wieder kommen Vogelmama und Vogelpapa mit gefülltem Schnabel um die hungrigen kleinen Mäuler zu stopfen.
Eines Morgens ist das Nest dann leer.
Etwas später sehe ich die Vogelfamilie im Garten. Die Vogelkinder fliegen noch etwas unbeholfen, aber bald sind sie alle fort. Das Nest ist noch da. Geschützt im Rosenstrauch.
Manchmal fühle ich mich so. Geborgen bei Gott, wie ein Vogel im Nest.
Manchmal bete ich, dass er die Dornen ausfährt um Gefahr von mir abzuhalten.
Manchmal wünsche ich mir, dass er mich mit seinem Segen einhüllt, wie mit den Blättern des Rosenstrauchs. Damit ich behütet neue Kraft schöpfe, bevor ich hinaus muss in Wind und Regen. Und Gott sitzt ruhig und still in der Ecke und schaut auf mich.
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg