12.06.2017
Volldampf
Was für ein Stahlross! Die Räder ragen über meinen Kopf. Gebaut wurde dieses Gefährt in Halberstadt. Gut verpackt wurde das 14 Tonnen schwere Dampfmobil 1896 nach Swakopmund in den Süden Afrikas verschifft. Mit ihren breiten Stahlrädern sollte es dort ohne Schienen über den Wüstensand der Namib rollen und schwere Fracht transportieren. Die Hoffnungen waren groß, aber die Dampfmaschine kam nicht weit. Immer wieder fuhr sie sich im Wüstensand fest. Da stand sie nun und konnte nicht anders. Das brachte ihr den Spitznamen „Martin Luther“ ein, der ja für seine Standhaftigkeit berühmt geworden ist. Nun steht die Halberstädter Dampfmaschine mit den Namen des deutschen Reformators am Ortseingang von Swakopmund in Namibia als Touristenattraktion.
„Fest stehen!“ – Was für Luthers Haltung eine Tugend war und der Reformation zum Durchbruch verhalf, das war für das Dampfmobil eine Katastrophe.
Ja, manchmal muss ich meinen Standpunkt deutlich vertreten und darf mich nicht wegschieben lassen, manchmal muss man ein bisschen Martin Luther sein. Und ein anderes Mal muss ich von meinen Argumenten abrücken, muss bereit sein, mich zu bewegen. Damit ich mich nicht festfahre, wie die Dampflok in der Wüste. Die große Kunst ist es, das Eine vom Anderen zu unterscheiden.
Ich wünsche Ihnen die Kraft fest zu stehen, wenn der Gegenwind scharf bläst. Und genauso die Beweglichkeit, die man braucht, um nicht im losen Sand des Lebens steckenzubleiben.
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg