26.10.2018
Falls es Gott gibt
Er ist einer der wenigen, die noch fit sind und herkommen können. 89 Jahre alt, nicht mehr ganz gut zu Fuß aber absolut fit im Kopf. Ivan Ivanji. Er war 15, als er nach Auschwitz deportiert wurde, danach nach Buchenwald und noch in zwei weitere Außenlager. 16 zum Kriegsende. Abenteuerlich sein Leben. Er schlägt sich wieder durch in seine Heimat – ins Banat im serbisch-österreichisch- ungarischen Grenzgebiet, wird Architekt, Theaterintendant, Übersetzer für den jugoslawischen Staatschef Tito, Kulturbotschafter in Deutschland, serbisch-deutscher Schriftsteller in Belgrad. Das ist er bis heute. Sein neuestes Buch wird im Frühjahr erscheinen.
Diese Woche ist er wieder in Weimar zu Gast. Liest aus seinen Büchern, heute Abend hält er einen Vortrag im Herderzentrum.
Wach, sehr wach verfolgt er die deutsche Politik, kommentiert sie mit rabenschwarzem Humor. Und mit allergrößtem Ernst. Hält die europäische Abschottungspolitik für eine Katastrophe. „Jedes Kind, das im Mittelmeer ertrinkt, stirbt nicht besser, als die Kinder in den Gaskammern von Auschwitz“. So sagt es Ivan Ivanji. Und fügt hinzu, dass jede Generation für sich selbst verantwortlich ist, ihre Aufgaben meistern muss.
An einen Gott, der sich schon irgendwie kümmert, kann er nicht mehr glauben. Falls es ihn gibt, so sagt er, möge er denen beistehen, die jetzt aktiv werden müssen.
Ulrike Greim, Weimar