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26.06.2023
Langsam zum Zorn

Mit 15 wusste ich vieles besser. Unser Jugendleiter Bernd war zu lahm, zu defensiv, er konnte nicht gut singen. Ich habe dauernd gedacht: Mensch, leg doch los. Sei verdammt nochmal kreativ, gib uns Futter, führe uns besser. Wir waren eine große Gruppe, 25 junge Menschen. Darunter ein paar wilde Pferde, und ich: in der Fundamentalopposition. Wir haben Bernd öfter auflaufen lassen. Aber wir wollten ihm zeigen, was wirklich daneben ist. Mir sträubte sich so oft das Fell, bei dem, was er gesagt hat, seine Ideen waren von gestern, seine Initiative lag irgendwann bei null. Das kann ich wirklich besser, dachte ich.

Ich war 18, als ich das erste Mal selbst eine Jugendgruppe geleitet habe. Plötzlich war ich zuständig für alles, musste an so vieles denken, den Schlüssel organisieren und hinterher aufräumen, alle beisammenhalten, kluge Angebote machen, mit allen singen, jeden einzelne respektvoll ansprechen, die Stillen und die wilden Pferde – und – ach guck: auch die, die in der Fundamentalopposition waren. Wie anstrengend! Ich habe nur wenige Monate durchgehalten.

Es ist eben ein Riesenunterschied, jemandem einen Denkzettel zu verpassen und es selber besser zu machen.

Heute bin ich vorsichtiger allen gegenüber, die Verantwortung übernehmen.

Geschimpft ist schnell. Aber die Frage ist, wie es produktiv wird.

Seid schnell zum Hören, mahnt uns die Bibel, aber langsam zum Zorn.

 Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.


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