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13.10.2018
Mund auf

Wer seinen Mund hält, hält sich Schwierigkeiten vom Hals. Worte aus der Bibel (Kohelet)

Der Volksmund würde zustimmen.

Aber ist das richtig?

Sami hat den Mund gehalten. Letzte Woche ist eine Gruppe Jugendlicher mit Mopeds durch sein Viertel gefahren und hat Jagd auf ihn gemacht. In vielen Fenstern des Wohnblocks hat Licht gebrannt, Gardinen haben gewackelt. Ein Mann hat hinausgeschaut und „Ruhe“ gebrüllt. Er hat gesehen, wie sie ihn bedrängt haben. Sami hat sich in einen Hauseingang geflüchtet. Als das Flurlicht anging, sind sie abgehauen.

Am folgenden Tag hat die Sozialarbeiterin seine aufgeschürften Knie gesehen. Das musst du anzeigen, sagte sie. Aber Sami hat den Mund gehalten.

Sie hat es ihm wieder und wieder gesagt.

Aber Sami hatte Angst. Er hat der Polizei nichts gesagt.

Wer Unrecht duldet, stärkt es, hat Willy Brandt einmal gesagt.

Es gibt Dinge, die kann man sich nicht vom Hals halten. Da kann man nicht schweigend hinter der Gardine stehen bleiben und denken, geht mich nichts an. Da reicht es auch nicht; Ruhe zu brüllen, denn davon wird einfach nichts gut.

Wenn Menschen bedroht und gejagt werden, kann keiner den Mund halten. Da wird vom Schweigen die Schwierigkeit nur immer größer. Irgendwann sind es dann alte Leute, die humpeln und auf die sie Jagd machen oder Menschen, deren Haare ihnen nicht gefallen. Wer zur Verfolgung schweigt, macht die Täter stark. Da kann keiner stumm hinter der Gardine stehen bleiben. Da heißt es rausgehen und Mund auf!

Kommen Sie gut in den Tag, Kristin Jahn, Superintendentin im Kirchenkreis Altenburger Land


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