10.07.2018
Nur ein Schritt
Micha ist Notfallsanitäter. Schon seit vielen Jahren. Seine tiefe Bassstimme dringt überall durch und strahlt Ruhe aus. Die braucht er für seinen Beruf. Auch unter Druck muss er den Überblick bewahren. Denn oft entscheiden Minuten, wie und ob den Patienten zu helfen ist.
Doch seit einiger Zeit sagt Micha immer öfter: „Bloß gut, dass ich bald in Rente gehe!“ Es ist nicht die Belastung, es sind auch nicht die Schicksale, die er erlebt. Damit hat er umzugehen gelernt. Nein, Micha machen unbeteiligte Mitmenschen zu schaffen. Da kommt er im dichten Verkehr nicht weiter, weil keine Rettungsgasse frei ist. Und immer öfter muss er sich am Einsatzort beschimpfen lassen, weil der Krankenwagen die Straße oder eine Einfahrt versperrt. „Was sind das für Menschen?“, schimpft Micha aufgebracht. „Neulich hat mir einer sogar Prügel angedroht, wenn ich nicht sofort Platz mache. Das kann ich nicht begreifen!“
Dabei ist eigentlich nur ein Schritt oder ein Gedanke nötig, sich in den Anderen hineinzuversetzen. Wenn ich da auf der Trage liegen würde, oder meine Mutter, oder mein Kind? Im christlichen Raum heißt dieser eine Schritt Nächstenliebe. Weil Jesus Christus gesagt hat: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!“ Nächstenliebe - das ist doch so abgegriffen!? Ja, wenn es ein Wort bleibt. Doch wenn ich diesen einen Schritt gehe, von mir selbst hin zum Anderen, dann ist es aktuell, jeden Tag neu.
Einen guten Tag wünscht Cornelia Biesecke aus Eisenach.