08.08.2018
Reden in Angst
„Ich könnte das nicht“, sagt meine Freundin Silke zu mir. „Hast Du keine Angst, zu Schwerkranken und Sterbenden zu gehen?“ Wir reden über meine Arbeit als Klinikseelsorgerin. Natürlich habe ich es bei meinen Krankenbesuchen nicht nur mit Leid und Sterben zu tun. Ich gehe auch zu frischgebackenen Müttern oder Leuten, die nur kurz im Krankenhaus sind. Aber Ausnahmesituationen sind es fast immer.
„Doch,“ antworte ich Silke. „Ich habe Angst. Wenn ich vor einer Zimmertür stehe, muss ich manchmal ganz schön tief Luft holen. Weil ich nicht weiß, was mich erwartet. Und ob ich die richtigen Worte finde.“
Trotzdem mache ich meine Arbeit gern. Das Wichtigste für mich dabei ist: ich bin nicht allein. Ich habe zwei wunderbare Kolleginnen, mit denen ich mir die Arbeit teile. Und die Angst. Wir treffen uns oft in unserem kleinen Büro. Da reden wir, von Gelungenem und von Schwerem. Es tut gut, auch über die Angst zu reden. Sie geht davon nicht weg, aber sie in Worte zu fassen, lässt sie kleiner werden.
„Ich will reden in der Angst meines Herzens.“ Das sagt Hiob (Hiob 7,11) ein Mann der Bibel, dem fürchterliches Leid geschehen ist. Von ihm kann ich was lernen. Über Angst zu reden, nicht nur im Krankenhaus. Angst muss raus, muss gesagt werden. Hiob erzählt sein Leid und seine Angst seinen Freunden. Ich erzähle sie meinen Kolleginnen. Oder Silke. Und wenn niemand zum Reden da ist? Erzähle ich sie Gott.
Cornelia Biesecke aus Eisenach