04.12.2024
Tränen
Auf meinem Adventskalenderblatt für heute sehe ich mehrere runde Fotos, die sehen auf den ersten Blick wie Schneekristalle aus. Ich lese etwas über dem Mann, von dem die Fotos sind: Er hat sich darauf spezialisiert, Dinge in extremer Vergrößerung zu fotografieren: feine, zarte Strukturen, mal länglich und schlank, wie frierende Zweige im Winter, hauchzart zusammengehalten. Auf dem anderen Foto buschig wie eine Rosenblüte. Auf dem nächsten: klare, sternförmige Objekte.
Nur: Das sind keine vergrößerten Schneekristalle, lese ich. Es sind Tränen! In hundertfacher Vergrößerung. Der Fotograf ließ sie auf einer Glasplatte trocknen und hat sie durch ein Mikroskop abgelichtet: Eine um den verlorenen Freund geweint, eine andere beim Schauen eines Films. Eine beim Zwiebeln schneiden. Keine Träne gleicht der anderen.
Ich schlucke, als ich das lese, bin überrascht und berührt zugleich. „Der Andere Advent“ – das ist der Name meines Adventskalenders, und er ist Programm. Anders! Heute also: mit Tränen, Schneekristallen gleich. Wunderschön, zart.
Von Gott heißt es, er hat alle Tränen gezählt. Ich bitte ihn für alle, die heute weinen, prächtige Freudentränen, oder feingliedrige aus Kummer, eckige vor Schmerz. Ich bitte Gott: Wer heute weint, der möge um Himmels willen jemanden haben, der es sieht und auffängt. Niemand soll im Weinen alleine sein.
Einen anders-schönen Tag wünscht Juliane Baumann, evangelisch, aus Sömmerda