07.03.2024
Und lässt die Reichen leer ausgehen
In Heidelberg beginnt heute ein Prozess gegen eine Prostituierte. Sie soll einem vermögenden Mann vorgespielt haben, in ihn verliebt zu sein, er hatte ihr das Gleiche zuvor auch gestanden.
Das soll ihn dazu veranlasst haben, ihr eine Summe von 1,8 Millionen Euro zu überlassen. Er klagt nun.
Ich erwische mich dabei, dass ich denke, och Mensch – ich hätte es der Frau gegönnt. Gut, 1,8 Mio sind eine Menge Geld, aber herauszukommen aus der Prostitution durch einen Mann, der dieses System mit am Laufen gehalten hat – das hat Charme. Welcher Frau ist das schon vergönnt? Nach wie vor leiden unzählige Frauen daran, dass sie keine Alternative sehen, als ihren Körper zu verkaufen, Lust vorzutäuschen und alles, was dann kommt, in Kauf zu nehmen. Aussteigerinnen berichten, wie sie demoralisiert und entwürdigt wurden, erniedrigt und ausgenutzt. Dass sie echtes Mitgefühl gar nicht kannten, und erst auf anderen Wegen kennengelernt haben, zum Beispiel durch Hilfsangebote der Diakonie.
Da wirkt es wie ein Wunder, wenn eine Prostituierte durch einen Freier aus dem unheilvollen Kreislauf herauskommen würde. Da würde das Wort ‚Freier‘ einmal tatsächlich stimmen.
Aber natürlich darf man nicht betrügen.
Dennoch bleibt es eine geradezu biblische Hoffnung, dass alle, die gedemütigt wurden, eines Tages zu ihrem Recht kommen. Alle, die in den Staub gedrückt wurden – wie heißt es im Lobgesang der Gottesmutter so schön – erhoben werden. So soll es sein, wenn Gott richtet am Ende der Zeit. „Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“ (Lukas 1,46ff) Verrückt, oder?!
Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche