02.10.2019
Verdient
Sie ist eine gute Freundin, weil sie einem auch die unbequemen Wahrheiten sagt. Wo man total daneben lag. Oder sich im Ton vergriffen hat. Das sagt einem ja so schnell keiner. Aber sie – sie ist so eine. Sie sagt das. Denn wem hilft es, gute Miene zu machen.
Dass sie gerade heraus ist, hat nicht jedem gepasst. Sie musste mehrfach den Job wechseln und hatte wenig Chancen, aufzusteigen. Wer will schon eine Mutige. Die Handzahmen sind besser zu führen.
Barbara ließ sich ungern den Mund verbieten. Engagierte sich in der Jugendarbeit, gründete Gruppen, die später „oppositionell“ genannt wurden. 1989 auch das Neue Forum in Erfurt. Als klar war, wie porös das System ist, als sich die ersten hohen Tiere aus dem Staube machten, da wusste sie: Wir müssen aufpassen. Die dürfen nichts verschleiern. Die Stasi zum Beispiel. Wir müssen erfahren, was die da machen. Mit einigen Frauen stand sie dann im Dezember 89 vor der Tür der Stasi-Bezirksverwaltung und verlangte, zu sehen, was da passiert. Akten durften nicht verbrannt werden. Vertuschen – das darf nicht sein. Unrecht muss ans Licht kommen.
Verdammt mutig war das.
Viele haben sich so was nicht getraut.
Dunkel ist nicht dunkel vor mir, sagt Gott. Alles Unrecht muss ans Licht. Barbara glaubt an ihn. Ihre Heimat, ihre Rückendeckung ist ihre Kirchgemeinde. Bis heute.
Sie engagiert sich, dass die Geschichten der Opfer gehört werden. Dass die Täter gesehen werden. Sie ist froh, dass dies in unserem Land möglich ist.
Heute bekommt Barbara Sengewald dafür in Berlin das Bundesverdienstkreuz von Bundespräsident Steinmeier verliehen. Wie auch Udo Lindenberg und andere.
Wir gratulieren von Herzen.
Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche