15.04.2017
Verfassungsreferendum Türkei
Die Türkei steht an einer Wegkreuzung. Morgen entscheiden die Menschen in einer Volksabstimmung, ob sie dem Präsidenten mehr Macht zugestehen. Dafür soll der Einfluss von Parlament und Justiz beschnitten werden. Präsident Erdogan und seine Partei fordern ein Evet, ein Ja, ein. Das aber würde die Demokratie, wie wir sie kennen, aushöhlen. Erdogan wäre der unangefochtene Alleinherrscher.
„Ihr wisst“, so heißt es in der Bibel, „dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Wer groß sein will unter euch, soll vielmehr euer Diener sein.“ Ja, werden viele Türkinnen und Türken sagen, ja, das wissen wir.
Und viele werden mit sich ringen: Ist das, was Erdogan will, ein Dienst an der Türkei oder ist es schlicht Machtmissbrauch? Normalerweise wäre eine Abstimmung darüber eine gute Sache. Was alle angeht, darüber sollten auch alle entscheiden. Aber in der Türkei herrscht Ausnahmezustand, Kritiker sind verhaftet, Zeitungsredaktionen geschlossen worden. Die Menschen haben Angst vor den Spitzeln des Regimes, vor der Polizei, wie sollten sie da noch frei reden oder gar frei abstimmen?!
Dennoch ist die Abstimmung morgen die vielleicht letzte Chance, die Demokratie in der Türkei zu retten. Dazu braucht es eine Menge Mut. Ich denke an die Menschen, die in ihrem Herzen wissen, dass es nicht gut gehen kann, wenn ein Einzelner herrscht. Da sind welche, die würden ihr Kreuz gern bei Hayir, bei „Nein“, machen. Die werden mit sich ringen, vielleicht eine schlaflose Nacht haben und morgen auf wackligen Beinen zum Wahllokal gehen. Wir kennen das aus DDR-Zeiten. Es verdient unseren Respekt.
Einen guten Tag wünscht Ralf-Uwe Beck, evangelisch und aus Eisenach.