02.02.2023
Was die Liebe alles kann
Was die Liebe alles kann.
Er war gerade frisch geschieden, als er diese Frau kennenlernt – Iris.
Sie sagt, sie hat zwei Kinder. Und dass es bei Florian in der Schwangerschaft Komplikationen gab, sagt sie, dass die Verbindung von Groß- und Kleinhirn nicht so gut ausgebildet ist. Dass er auf dem Entwicklungsstand eines Kleinkindes ist, trotz seiner zehn Jahre. Füttern, windeln, Trinken geben.
„Als ich ihn das das erste Mal gesehen habe,“ sagt Peter, „da habe ich Iris schon so geliebt, dass ich wusste: Wir bleiben zusammen. Flo war ein Mitbringsel, das zum Leben gehört.“
Ja, er habe arge Probleme gehabt, sich an alles zu gewöhnen. Flo hat keinen Schluckreflex, ihm läuft der Speichel aus dem Mund. Flo kann nicht sprechen, er zeigt, was er will.
Aber Flo kann sich unglaublich freuen, ist herzlich.
„Ich hatte vorher eine simple Vorstellung vom Leben,“ sagt Peter. „Ich dachte: ,Mit einem behinderten Kind versaust du dir dein ganzes Leben.‘ Das hat sich um 180 Grad gedreht. Ich habe Florian kennengelernt, seine Schwächen, seine Stärken, seine Vorlieben, ich habe ihn als Menschen akzeptiert.“
Wochentags ist Florian im Heim. Am Wochenende holen sie ihn ab und er lebt in der Familie.
So geht das 25 Jahre lang.
Dann wird Iris krank. Krebs. Peter übernimmt die Familienarbeit komplett. Dann stirbt Iris.
„Das war schwer“, sagt Peter. „Sehr schwer.“
Heute ist Peter 62, Florian ist 43. Wann immer Peter zwei zusammenhängende Tage frei hat, holt er Florian aus dem Heim. „Er gibt mir so viel Liebe zurück,“ sagt Peter.
Denn seit einem halben Jahr hat Peter wieder eine Freundin – Marina. Sie mochte Flo vom ersten Tag an, erzählt er, und hat ihn wie einen Sohn angenommen.
Was die Liebe alles kann.
Ulrike Greim, Weimar