30.09.2019
Wir sind heute zu ihnen gekommen
„Wir sind heute zu ihnen gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise...“
Kreischen, Schreien, Jubeln.
Sie erinnern sich. Prager Botschaft, 30. September 1989. Hans Dietrich Genscher auf den Balkon. Wir haben geweint vor dem Fernseher. Vor Erregung, vor Freude. Es war wie ein festgezurrter Knoten, der plötzlich von alleine aufgeht.
Wer hatte damit schon gerechnet?!
Genscher verweist später auf den sowjetischen Außenminister Eduard Schewadnadse, der sofort geholfen habe. Zitat:
„Er war für mich ein persönlicher Freund, der die Zeichen der Zeit verstanden hatte und der mit Gorbatschow zusammen den Weg geöffnet hat für die Überwindung der Teilung Deutschlands.“
„Wir sind heute zu ihnen gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise … in die Europäische Union genehmigt wurde.“
Tausende Menschen – wieder in Zelten, notdürftig campierend und auf eine gute Zukunft hoffend, warten auf genau diesen Satz. Auf der griechischen Insel Samos z.B.. In einem Camp mit 5000 Menschen, sie hausen in Zelten, oder zu elft in Containern, zwei Familien teilen sich wenige Quadratmeter und ein Doppelstockbett. Oder auf Lesbos, ganz zu schweigen von den libyschen Lagern.
Wer spricht den rettenden Satz? Wer verhandelt heute diplomatische Lösungen? Wer ist der Hans-Dietrich Genscher von 2019? Der Eduard Schewadnadse?
Wir brauchen wieder persönliche Freunde, die die Zeichen der Zeit erkennen, und die Nationalismen und die Angst überwinden und schlicht tun, was zu tun ist.
Ulrike Greim, Weimar, evangelische Kirche.