07.02.2025
Aus Fräuleins wurden Frauen
Früher wurden Frauen „Fräulein“ genannt, wenn sie nicht verheiratet waren. Dazu gab es das Bild vom älteren Fräulein, hartherzig im hochgeschlossenen Kleid, unlustig in jeder Hinsicht. So ein Fräulein konnte – in den Augen der Gesellschaft – keinen Ehemann vorweisen. Damit erfüllte sie ihre vermeintliche Aufgabe nicht. So ein Fräulein galt als gefühlskalt. Dagegen war das hochbetagte Fräulein, das ich vor zwei Jahren beerdigt habe, eine der warmherzigsten Personen, die ich kannte: Fräulein E. ist 93 geworden. Früher hat sie Christenlehre unterrichtet, war also Mitarbeiterin in mehreren unserer Kirchengemeinden. Sie ist mit vielen Schülerinnen und Schülern verbunden gewesen, auch wenn die lange woanders wohnten. Sie telefonierte mit ihnen und betete danach für sie. Wenn sie draußen mit dem Rollator unterwegs war, hielten Passanten an – egal, ob die nun „bei der Kirche“ waren oder nicht – sie sprachen mit dem Fräulein und umarmten sie zum Schluss. Kinder rannten ihr oft entgegen. Fräulein E. ist ihr Leben lang für alle das Fräulein geblieben. Den Titel hat sie, so würde ich sagen, mit Würde, vielleicht sogar mit Stolz getragen. Trotzdem bin ich froh, dass die Bezeichnung „Fräulein“ abgeschafft wurde. Anfang der 1950er Jahre wehrten sich vermehrt Frauen dagegen. Seitdem (ab Februar ‘55) konnten ledige Frauen dann beantragen, auch amtlich als Frau angeschrieben zu werden. Heute wirkt das wie eine Kleinigkeit, aber es war ein Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung.
Danke, liebe Vor-Frauen, für Eure Ausdauer und für Eure Güte!,
sagt Milina Reichardt-Hahn, evangelisch und Pfarrerin in Fambach