22.10.2018
Der Sommer war sehr groß

„Herr, es ist Zeit: Der Sommer war sehr groß.“

Seit Wochen schon geht mir diese Zeile aus dem Rilke Gedicht nicht aus dem Sinn. Weil, eben weil der Sommer schier auch kein Ende zu nehmen schien. Erst jetzt, ganz allmählich, wird es kühler.

Noch vor zehn Tagen bin ich barfuß in Sandalen und mit T-Shirt durch die Erfurter Innenstadt gelaufen. Ich bin ein absoluter Sommermensch. Eigentlich kann ich von der Sonne nicht genug bekommen. In diesem Sommer war das anders.

Die Bilder von Dürre, brennenden Feldern und Wäldern, Sturzfluten in Meiningen oder Weimar haben meine Freude getrübt. Es ist nicht mehr wegzureden: Das Klima wandelt sich. Alle Alarmzeichen stehen auf Rot. Noch können die Risiken der Erderwärmung eingedämmt werden. Aber dafür ist schnelles Handeln nötig.

Einen eisfreien Arktischen Ozean im Sommer gibt es laut Weltklimarat bei 1,5 Grad wahrscheinlich einmal pro Jahrhundert, bei zwei Grad vermutlich "mindestens einmal pro Jahrzehnt". Wenn es um 1,5 Grad wärmer wird, verschwinden etwa 70 bis 90 Prozent der Korallenriffe. Mit zwei Grad wären praktisch alle verloren.

Da will ich doch den Rilke mal ganz anders fortschreiben: „Herr, es ist Zeit: Der Sommer war sehr groß. Nun aber lass uns nicht mehr die Augen verschließen. Lass deinen Geist durch unsere trägen Glieder fahren, dass wir zur Besinnung kommen für uns, unsere Kinder und Enkelkinder.“

Dass Gott das hört, wünscht sich in dieser Nacht Pfarrerin Dorothee Land, evangelisch und aus Erfurt.    


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