02.06.2022
Duftender Rhododendron
Sie fand, nach 17 Jahren Multipler Sklerose sei es genug. Die Krankheit hatte sie so am Leben gehindert, sie war ganz matt von den Schmerzen. Schwester und Freundin haben sie einfach unter den Arm geklemmt. Komm, wir fahren raus. Urlaub an der See. Wird Zeit.
Und wie sie so an der Uferpromenade spazierengehen, da weht ein warmer Wind. Er duftet nach Rhododendron. Sie gehen durch den Park vor dem Hotel. Es blüht zart rosa und kräftig weinrot, die Bienen summen, die Mücken tanzen. Die Natur strotzt vor Kraft und Anmut. Gott hat offensichtlich gute Laune. Kinder spielen an einem Brunnen, Eltern sitzen schwatzend auf Bänken.
Am Abend: ein Konzert. Sie kann endlich wieder fühlen, dass sie eine ist unter vielen. Neben ihr der Mann mit dem etwas aufdringlichen Deo, hinter ihr die Dame mit den Eukalyptus-Bonbons. Neben ihr die gute Freundin, die gerade ihr Kind in die Welt hatte gehen lassen müssen – Neuseeland, Himmel hilf.
Menschen mit ihren je eigenen Geschichten. Die Musik trägt alle fort in ferne Länder und holt sie zurück und verbindet sie. Keine ist hier allein. Sie atmet auf.
Ach, du, wunderbarer Wind von Pfingsten, denkt sie. Wehe in mein Herz, Gott des Lebens, zieh wieder ganz bei mir ein. Ich möchte gesund werden. Und auch solche Musik machen.
Sie sitzt entspannt auf ihrem Stuhl und lächelt.
Später wird sie sich das Datum notieren: Pfingsten 2022: Aufatmen.
Eine gute Nacht wünscht Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche