28.06.2019
Ich sehe was, was du nicht siehst

„Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist ...“

Der kleine Junge grinst durch seine Zahnlücke.

Die Augen fliegen durch den Kirchenraum.

Jetzt ruft er: „Blau“.

Jetzt sind die Großen dran mit raten.

Der kleine Junge lässt sie zappeln.

 

Einem nach dem anderen antwortet er mit einem breiten Grinsen: „Nö“.

Er freut sich diebisch,

dass die großen ihm nicht auf die Schliche kommen.

Dabei sieht er es ganz genau:

Auf einem Tuch am Altar sind unter dem Kreuz drei kleine, blaue Wellen eingestickt.

Die machen dem kleinen Mann große Freude.

Sie erinnern ihn an das weite Meer

und den Urlaub

und zaubern ihm ein Lächeln auf die Lippen.

 

„Seht ihr den Mond dort stehen?

Er ist nur halb zu sehen

und ist doch rund und schön.

So sind wohl manche Sachen,

die wir getrost belachen,

weil unsere Augen sie nicht sehn.“

 

Ich sehe auch so gerne Dinge, die andere nicht mitbekommen.

Und ich würde gerne viel weiter sehen.

Gerade dann, wenn es dunkel wird – in meiner Seele.

Dann möchte ich Wind und Wellen sehen. Und den Himmel.

Ihn wenigstens ahnen.

 

Siehst Du etwas davon, kleiner Mann?

Sag mir, was du siehst!

Hilf mir träumen.

 

Träumen auch Sie schön, wünscht Ihnen Pfarrer Ramón Seliger, evangelisch und aus Weimar.


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