13.05.2019
Jeden Tag ein Stück

Fröhlich besteigen die sechs Seniorinnen und Senioren die Regionalbahn. Alle mit E-Bike und stylischem Fahrradoutfit. Ich wollte eigentlich in Ruhe an meinem Laptop arbeiten. Na gut, nun sitzen sie da und fangen munter an zu schwatzen. Von der gerade beendeten Fahrradtour und den nächsten Vorhaben. Und: Ja, nie wieder würde ich mir ein schwarzes Fahrrad kaufen. Ich bin ja so glücklich mit meinem weißen.

Ach ja, denke ich, solche Probleme möchte ich haben.

Dann aber horche ich auf. Eine der Frauen erzählt von ihrem Vorhaben, jeden Tag ein Stück von dem, was sich da alles in Haus und Hof angesammelt hat, auszusortieren, wegzugeben, zu entsorgen. „Ich will meine Kinder später mal nicht damit belasten“, sagt sie. „Ich hab‘s doch bei unserm Nachbarn gesehen. Kistenweise Steckdosen, alte Schlüssel, Bücher. Und die Kinder mussten dann alles ausräumen. Ja,“ lacht sie, „wir sind noch so. Denken, wir könnten ohne das nicht leben. Man weiß ja nie, ob man das nicht doch noch mal gebrauchen kann. Aber, ich will das nicht mehr.“

Da bin ich ganz bei ihr. Und bei all dem Krempel, der in meinem Keller vor sich hingammelt. Ballast, der darauf wartet, dass ich ihn abwerfe.

Als der munter schwatzende Fahrradclub an der nächsten Station aussteigt, bleibt ihr Lachen und ihre Leichtigkeit bei mir zurück. Und, ja, morgen fange ich an. Abwerfen, loslassen. Jeden Tag ein Stück.

Eine leichte Nacht wünscht Pfarrerin Dorothee Land, evangelisch und aus Erfurt.

 

 


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