31.05.2018
Leben zwischen den Zeilen
Manchmal lese ich in meinem Leben wie in einem Buch. Schlage viele Seiten zurück, lasse vor meinem inneren Auge vorbeiziehen, was gewesen ist. Da gibt es Seiten, die sind ganz abgegriffen, weil ich sie so oft aufgeschlagen habe. Der Bolzplatz, wo ich als einziges Mädchen mit den Jungen gespielt habe, viele Nachmittage lang. Meine erste Lesung im Gottesdienst. Da war ich vielleicht zwölf. Hinterher sagten die Erwachsenen: Das hast du toll gemacht. Ein paar Seiten weiter die Geburt unserer Kinder, ein Wunder. Urlaube an der Ostsee. Am Strand stehen, den Wind spüren und die Weite.
Und dann gibt es welche, die ich lieber überblättere, weil mich das immer noch Kraft kostet, mich daran zu erinnern.
Die Deutschlehrerin auf der EOS, die wollte, dass ich die Mutter Courage spiele, weil die im Stück ein Vater unser betet. „Du gehst doch zur Kirche.“ – Ich spüre heute noch die Blicke, erniedrigend war das.
Mit meinen beiden erwachsenen Kindern stehe ich am Grab ihres Vaters. Unbegreiflich, bis heute!
Mein Leben ein Buch. Jetzt, mit über 50 suche ich manchmal nach dem, was da zwischen den Zeilen steht. Was nicht auf den ersten Blick zu sehen ist. Welchen Sinn dieses ganze Auf und Ab hat.
Zwischen den Zeilen suchen, für mich eine Art, Gott zu suchen. An manchen Tagen fühle ich die warme Gewissheit: Es ist gut, wie es ist. Das, was ich „lesen“ kann und das, was zwischen den Zeilen aufleuchtet. Manches nehme ich als Fragezeichen mit und halte es Gott hin: „Hilf mir zu verstehen, wie du es mit mir meinst.“
Schlafen Sie gut! Das wünscht Pfarrerin Dorothee Land, evangelisch und aus Erfurt.