09.07.2018
Saftig und süß

Saftig uns süß sind die Kirschen. Wie die Liebe. Sie blüht, sie wächst und gedeiht, sie wird reif und vollmundig.

Richtig süß ist die Liebe erst spät. Wenn die Sonne genug geschienen hat. Wenn die Maden fern gehalten werden konnten. Wenn ein aufmerksamer Gärtner alles gut gepflegt hat und die Jahre es gut gemeint haben.

Ingrid steht in ihrem Garten, die Sonne ist gerade untergegangen, die Vögel zwitschern. Ihr Mann räumt noch die Gerätschaften in den Schuppen. Gleich gehen sie rein. Die beiden. Ein altes Paar.

37 Jahre sind sie verheiratet. Höhen und Tiefen. Drei Kinder, mittlerweile vier Enkel. Alle gesund. Und an jeder Wegbiegung neu die Frage: Möchtest du noch mit mir gehen? Sie mag es sehr, wenn er so vorsichtig fragt. Nie siegessicher. Immer behutsam. So, wie er auch seine Blumen pflegt. So, wie er die Kirschen erntet. Immer mit Geduld. Immer mit Ehrfurcht.

Dafür allein schon liebt sie ihn. Hat sich arrangiert mit allem anderen. Hat in Kauf genommen, dass Vieles anders wurde, als sie es sich gewünscht hat. Weil sie mit ihm leben wollte.

Jetzt ist sie süß – die Liebe. Dunkelrot und reif. Etwas zum Genießen.

Vielleicht ist es nur eine Jahreszeit, in der sie das so würdigen kann, denkt sie nun. Aber auf die lohnt es sich, zu warten: wenn sich zwei so vertraut sind, dass sie sich blind verstehen.

Und die Liebe feiern können. Wie einen Sommer.

Mut zur Liebe wünscht ihnen Ulrike Greim aus Weimar.

 


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