26.11.2021
Try a little tenderness
Das hatte er nie wirklich versucht – das mit der Zärtlichkeit. Da, wo er herkommt, da gibt es so etwas nicht. Da wird zugepackt und nicht rumgeningelt. Und ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.
Das mit der Zärtlichkeit war ihm nichts. Zu verweichlicht.
Seine Frau hatte das gewollt. Sie hat im Bett geweint, wenn er wieder grob war.
Aber er wusste nicht, wie man das macht.
Auch bei den Kindern. Er hatte sie im Arm gehalten, das hatte ihn auch manchmal gerührt, aber er hat sich nicht getraut, zu zeigen, wie er für sie fühlt.
Gefühle bringen immer alles durcheinander.
Er hat auf dem Bau gearbeitet, später in der Landwirtschaft. Seine Hände sind schwielig und dick, oft riechen sie auch nach dreimal waschen nach Öl.
Aber jetzt ist er krank. Und das mit dem Herzen, das hat alles geändert. Er war dem Tod von der Schippe gesprungen, hat der Arzt gesagt. Der liebe Gott habe ihn wohl noch nicht gewollt. Später sitzt die Seelsorgerin bei ihm und fragt, ob er einen Wunsch habe an Gott. Er weiß erst einmal keinen. Spät in der Nacht ist klar: Er würde gerne einmal den Kindern sagen, dass er sie irgendwie auch liebhat. Und seiner Frau, obwohl die nichts mehr wissen will von ihm.
„Try a little tenderness“ singt da jemand im Radio. Versuch das mit der Zärtlichkeit. Versuch es einfach.
Als seine Frau dann doch einmal kommt, da nimmt er ihre Hand und streicht vorsichtig darüber. Sie schaut verwundert auf.
„Try a little tenderness.“ Auch die Kinder sind gerührt.
Der alte Kerl, jetzt wird er menschlich. Sachen gibt’s.
Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche