28.10.2022
Vom Denken beim Glauben

„Heimlich beneide ich die Gläubigen“, schreibt der Schriftsteller Max Goldt. Und weiter: „All den schönen Trost und das schöne Nachdenken über ernste Dinge, das kriegen die Gläubigen automatisch ins Haus geliefert. Die anderen müssen täglich von neuem den Alkohol in die Wohnung schleppen.“

Humorvolle Sicht auf den Glauben, finde ich – die Max Goldt nicht nur heimlich beneidet, sondern ganz offen um seine Kunst. Stimmt schon: Auch das fasziniert mich am Glauben, dass man nicht an der Oberfläche des Lebens bleibt, sondern tiefer eintaucht. Nach dem Sinn fragt. Und versucht, mehr zu sehen, mehr zu verstehen als das, was vor Augen ist.

Nur hat diese Sinnsuche eben auch eine Kehrseite. Es passiert auf der Erde eben auch einiges, was keinen Sinn macht. Als Pfarrerin bekommt man viel davon mit, jeden Tag, welche Schicksalsschläge Menschen alles treffen können. Oft kann man noch so angestrengt suchen, man findet keinen Sinn. Wenn dann Leute versuchen, das Schlimme irgendwie zu erklären und sagen: wer weiß, wozu es gut war, sage ich manchmal: zu nichts. Es ist nicht zu irgendwas gut, wenn eine Mutter stirbt Ende 30 und ihre zwei kleinen Kinder stehen am Grab. Da lässt sich nichts mehr schönreden und erst recht nicht schöntrinken. Da kann man nur klagen und weinen und schimpfen. So wie viele Menschen in der Bibel es machen. Einer ruft: Warum hast du mich verlassen, Gott? Bring mich in Sicherheit, bittet ein anderer. Und sagt: In deine Hände leg ich mein Leben. Das mache ich auch. Trotz allem. Und wegen allem.

Gute Nacht sagt Milina Reichardt-Hahn, evangelisch und Pfarrerin in Fambach


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