PM 155 | 31.10.2014
Landesbischöfin: Protest gegen Ausgrenzung und Unrecht ist nötig
BEI RÜCKFRAGEN
Susanne Sobko, 0162-2048755Predigt im ARD-Fernsehgottesdienst über Cranach-Altar in Weimar
Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), ruft zum heutigen Reformationstag (31. Oktober) dazu auf, gegen Ausgrenzung und Unrecht in der Welt zu protestieren sowie Zeichen zu setzen für Menschenwürde, Frieden und Gerechtigkeit. In ihrer Predigt im ARD-Fernsehgottesdienst in der Herderkirche (10 Uhr) nennt sie als Beispiele die Flüchtlingskatastrophen in Syrien und im Irak sowie die Ausbeutung von Menschen, die Billigkleidung herstellen.
In ihrer Predigt bezieht sich die Landesbischöfin auf Bilder des restaurierten Cranach-Altars, der in dem Gottesdienst zum ersten Mal seit Zerstörung der Herderkirche im Februar 1945 in seiner Gesamtkonzeption zu sehen ist. Lucas Cranach hat hier unter anderem die Vertreibung aus dem Paradies abgebildet. „Der Mensch will sich an die Stelle Gottes setzen. Deshalb wird er aus dem Paradies vertrieben. Er rennt direkt seinem Untergang entgegen“, kommentiert Ilse Junkermann. Sie erinnert an die Millionen Flüchtenden am Ende des 2. Weltkriegs sowie heute in Syrien und im Irak. „Nicht Gott vertreibt sie. Vielmehr werden sie von Menschen gejagt, die sich an die Stelle Gottes setzen; von Menschen, die ein Paradies nach ihren Vorstellungen errichten wollen. Ein Paradies, das zur Hölle wird.“
Weiter heißt es in der Predigt: „Und ich denke an uns in Europa. Sehenden Auges rennen wir einem Abgrund entgegen, ja, wir graben ihn selbst. Unser Wohlstand ist ein Abgrund von Armut und Tod für so viele in der Welt. Das billige, modische T-Shirt für mich, das näht für einen Hungerlohn die junge Frau in einem Haus, das jeden Moment einstürzen kann.“
Den auf dem Altar abgebildeten Weg Israels aus der Knechtschaft Ägyptens in die Freiheit deutet die Landesbischöfin mit: „Freiheit braucht einen langen Atem. Was wird aus ihr, wenn sie grenzenlos ist? Wenn die meisten Menschen nicht mehr an einen Gott glauben – ist dann allein der Einzelne das Maß aller Dinge und bestimmt über Leben und Tod? Oder bestimmt allein der Preis den Wert? Was wird aus der Freiheit, wenn sich in einer Gesellschaft vorrangig alles rechnen muss, auch die Pflege, auch die Bildung, auch die Gottesdienste? Das kann wie Schlangengift wirken. Und dieses Gift kann alles andere töten, was wir unbedingt auch zum Leben brauchen, wie Liebe und Vertrauen und Respekt vor dem, was wir nicht machen können“.
Der gekreuzigte Christus in der Mitte des Bildes ist für Ilse Junkermann die Mahnung daran, genau hinzusehen: „Damit wir nicht die Augen verschließen vor dem Leid in der Welt; damit wir das nicht ausblenden, was sich im Hintergrund abspielt an Unrecht und Leiden. Hinsehen sollen wir - und uns nichts vormachen über den Menschen, über die Gewalt, zu der Menschen fähig sind“. Weiter heißt es in der Predigt: „Er ist das unschuldige Lamm, das der Welt Sünde trägt. Mit Blick auf ihn können Menschen ihre Schuld los werden – ganz passiv“.
Abschließend sagt die Landesbischöfin: „So stelle ich mich in den Kreis derer, die dem Gott des Lebens vertrauen. So lasse ich mich hier mit anderen zusammen stärken: Dass wir unsere Augen nicht vor dem Leid in der Welt – in der Nähe und in der Ferne verschließen; dass wir hinsehen und von diesem Altar aus gegen Unrecht protestieren; dass wir von diesem Altar aus Zeichen setzen für Menschenwürde, Zeichen für Frieden und Gerechtigkeit“.
Mit dem Gottesdienst wird das Themenjahr „Bild und Bibel“ der Reformationsdekade eröffnet. Weitere Mitwirkende sind Superintendent Henrich Herbst (Liturgie) und Esther Nickel (Lektorin). Für die musikalische Umrahmung sorgen unter Leitung von Kantor Johannes Kleinjung der Kinderchor der Evangelischen Singschule, der Bachchor Weimar, das Ensemble Hofmusik und Solisten.
Die Predigt von Landesbischöfin Junkermann im Wortlaut