PM 66 | 18.04.2011
Letzte Rüstzeit für Zivildienstleistende
BEI RÜCKFRAGEN
Wolfgang Geffe, 0391-5346-499Nach Ende der Wehrpflicht: Letzte Rüstzeit für Zivildienstleistende
EKM setzt ihre Friedensarbeit fort
Imagewandel der Zivis von Vaterlandsverrätern zu Sympathieträgern
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) lädt zum letzten Mal Zivildienstleistende zu einer Rüstzeit ein. Die Teilnehmer werden vom 18. bis 28. April nach Finnland reisen, um Ostern in orthodoxen und protestantischen Gemeinden zu feiern, das Bildungssystem kennenzulernen sowie die Natur zu erleben. Nach Aussetzung der Wehrpflicht will die EKM mit ihrer Friedensarbeit weiterhin junge Menschen begleiten. Dazu gehört beispielsweise die Information über zivile Freiwilligendienste im In- und Ausland.
Dazu Wolfgang Geffe, Friedens-Beauftragter der EKM: „Für die Entscheidung für einen Dienst in der Bundeswehr oder einen zivilen Freiwilligendienst brauchen junge Menschen eine qualifizierte Beratung. Dieser Aufgabe werden wir uns stellen. Wir wollen junge Menschen ermutigen, als Freiwillige Erfahrungen in einem unbekannten Lebensbereich zu machen. Außerdem wollen wir mit ihnen über die Aufgaben der Bundeswehr im Gespräch sein. Wir werden über Wege der Konfliktbearbeitung informieren, die nicht auf überlegene Stärke sondern auf Kommunikation und Interessenausgleich setzen“.
Wolfgang Geffe verweist darauf, dass der Einsatz der Kirche für Kriegsdienstverweigerer nicht selbstverständlich ist: „Jahrhundertelang rechtfertigte die Kirche kriegerische Gewalt. Erst durch die Schrecken des Zweiten Weltkrieges wurde die Friedensarbeit mehrheitsfähig“. 1950 erklärte die Evangelische Kirche in Deutschland: „Wer um seines Gewissens willen den Kriegsdienst verweigert, der soll der Fürsprache und der Fürbitte der Kirche bewusst sein.“ Hier begann die Begleitung von Kriegsdienstverweigerern und Zivildienstleistenden.
„Die ersten Zivildienstleistenden in den Sechziger Jahren wurden oft noch als Drückeberger und Vaterlandsverräter bezeichnet. Heute sind sie Sympathieträger als sozial engagierte Männer – ein bemerkenswerter Imagewandel, der nicht hoch genug zu bewerten ist. Das Kriegsdienstverweigern ist zu einer anerkannten Entscheidung in Deutschland geworden. Etwa 150.000 junge Männer machten von dieser Möglichkeit in den letzten Jahren Gebrauch“, so Geffe.
Hintergrund:
Die Verantwortlichen für Friedensarbeit der EKM sowie ihrer Vorgänger-Kirchen in Thüringen und der Kirchenprovinz Sachsen haben in den letzten 20 Jahren etwa 120 Rüstzeiten oder Werkwochen für Zivildienstleistende angeboten. Die Themen waren vielfältig. So haben sich die jungen Männer mit dem Widerstand in der DDR beschäftigt und in Stasiakten gelesen; sie haben mit Bürgerinitiativen gegen einen Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner-Heide gekämpft und sich mit dem Schutz der naturnahen Elbe beschäftigt; sie haben sich in der Ukraine über die Folgen des Reaktorunfalls von Tschernobyl informiert; sie halfen in Rumänien bei Bauarbeiten an einem Kinderheim; sie konnten in Israel und Palästina erfahren, dass konfliktreiche Situationen nur mit gewaltfreien Mitteln zu bewältigen sind; sie waren Klettern und Radfahren.
Ziel dieser gemeinsamen Aktivitäten war der Austausch zwischen Zivildienstleistenden, die Auseinandersetzung mit einem neuen thematischen Impuls sowie das Kennenlernen anderer Länder und ihrer Menschen. Dabei war es wichtig, die Entscheidung zur Kriegsdienstverweigerung zu stärken und das Gewissen der Zivildienstleistenden zu schärfen, damit sie auch in anderen Lebensfeldern fundierte Entscheidungen treffen können.