PM 101 | 20.07.2014
Predigt zum Gedenken an ermordete Nazi-Gegner
BEI RÜCKFRAGEN
Susanne Sobko, 0162-2048755Landesbischöfin: Widerstand gegen Unrecht und Ausbeutung nötig
Zum Widerstand gegen Unrecht und Ausbeutung ruft Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), im Gedenken an den 75. Todestag von Paul Schneider auf. Die Nazis hatten den evangelischen Pfarrer am 18. Juli 1939 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet. Als Beispiele für heutiges Unrecht nennt die Landesbischöfin in einem Gedenkgottesdienst in Weimar die Herstellung von Billig-Textilien, die Abwehr gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, die Hetze gegen „andere“ Menschen und die Akzeptanz von Rüstungsexporten.
„Wie gut, dass Sie hier in Weimar die Erinnerung an Paul Schneider, diesen mutigen und unbequemen Christen, wach halten! Und wie gut, dass er doch nicht der einzige war, dass es noch mehr Menschen gab, die im Vertrauen auf Gottes Treue selbst treu geblieben sind und sich nicht haben bestechen und blenden lassen von Machtwille und Übermenschentum“, betont Ilse Junkermann. „Dankbar und mit großem Respekt“, erinnert sie neben Paul Schneider „an die Männer und Frauen des 20. Juli 1944, deren Treue zu ihrem Gewissen auch ihnen den Tod gebracht hat“.
Gleichzeitig warnt die Landesbischöfin davor, das Gedenken nur als Heldenverehrung zu begehen. „So bewundernswert die Konsequenz Paul Schneiders und der Widerstand der Männer und Frauen des 20. Juli auch war, so gilt auch: Je größer unsere Bewunderung, desto größer wird auch der Abstand zu uns – und desto geringer der Einfluss auf unser eigenes Leben und unser Kirchesein heute. Wenn wir sie uns als Vorbild vor Augen stellen, als Imperativ, dann scheitern wir, bevor wir begonnen haben.“
Stattdessen sollten wir „ganz konkret, ganz in unserem alltäglichen Bezügen Verantwortung übernehmen und Zeuginnen und Zeugen sein für Gerechtigkeit und Menschenwürde“, beispielsweise indem wir „Gesicht zeigen gegen Rechts und nicht denen die Straße überlassen, die das Gedenken schänden“. Als positive Beispiele nannte Ilse Junkermann das Eintreten in Weimar „gegen alle Menschen verachtenden Parolen“ und die Verleihung des Weimarer Menschenrechtspreises, der „diejenigen groß und sichtbar macht, die für Menschenrechte und gerechten Frieden eintreten“.
Wachsamkeit hält sie heute vonnöten, wo Menschen ausgegrenzt, benachteiligt, verfolgt werden; wo Gewalt und Ausbeutung herrschen. „Ich denke an die Textilfabriken in Pakistan und China, in denen supergünstige T-Shirts für den reichen Norden produziert werden – unter gefängnisartigen Bedingungen. Ich denke an Dörfer und Städte auch in Thüringen, die keine Fremden bei sich haben wollen, auch wenn sie auf der Flucht um ihr Leben sind. Ich denke an die Hetze gegen ‚andere’, die immer noch verharmlost wird. Ich denke an das Abwägen in unserem Land: wenn wir auf Rüstungsexporte verzichten – was wird dann aus unserer Wirtschaft?“, so die Landesbischöfin.
Der Gottesdienst findet im Rahmen eines Gedenk-Wochenendes in Weimar zum Thema „Erinnerung und Verantwortung“ zum 75. Todestag von Paul Schneider statt. Am 18. Juli hatte Nikolaus Schneider, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in der Gedenkstätte Buchenwald gepredigt. Ilse Junkermann predigt heute in einem Gedenk-Gottesdienst in der Stadtkirche St. Peter und Paul (10 Uhr).
Das Predigt-Manuskript im Wortlaut