PM 109 | 19.11.2014
Bericht von Landesbischöfin Junkermann vor der Synode in Erfurt
BEI RÜCKFRAGEN
Ralf-Uwe Beck, 0172-7962982, oder Friedemann Kahl, 0151-59128575„Neue politische Diskussion zur Willkommenskultur notwendig“
Zu mehr Engagement in der Flüchtlingsarbeit ruft die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, in ihrem Bericht vor der Landessynode in Erfurt auf. Sie plädiert für die dezentrale Unterbringung, eine bessere Willkommenskultur und mehr psychosoziale Hilfen sowie eine ausdrückliche Einwanderungspolitik. Weitere Themen ihrer Rede zu Beginn der Synodaltagung sind unter anderem die Kritik an Waffenlieferungen in Krisengebiete und eine bessere Versorgung schwerkranker Menschen statt der Freigabe der Sterbehilfe. Die Tagung des Kirchenparlaments im Collegium maius in Erfurt begann am heutigen Mittag (19.11.) mit einem Gottesdienst. Die viertägige Synode wird bis Samstag (22. 11.) dauern.
Zum Auftakt der Herbst-Tagung der Landessynode ging die Landesbischöfin auf die Situation von Flüchtlingen in Mitteldeutschland ein. Dabei forderte sie, dass die Landesaufnahmestelle in Eisenberg und andere Gemeinschaftsunterkünfte in Thüringen die Grundversorgung der Menschen sichern müssten. „Es gibt Probleme bei der Unterbringung, bei der Qualität und der Menge des Essens sowie bei der Versorgung mit warmer Kleidung. Auch die Warmwasseraufbereitung ist nicht für eine so große Zahl von Menschen ausgelegt, die Duschen sind oft kalt, der Ton manches Mal sehr ruppig. Auch die medizinische Behandlung ist oft unzureichend“, so Junkermann. Es fehle an ausreichender Sozialberatung sowie an unabhängiger Verfahrensberatung. Zugleich dankte Junkermann „ausdrücklich den Menschen, die hauptberuflich in den Behörden und Unterkünften mit bestem Willen dafür arbeiten, die vielen Menschen einigermaßen unterzubringen, sei es in der sozialen Betreuung, in der Küche oder im Wachschutz.“
Manche Probleme seien besser in einer dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen zu bewältigen. „Im Vergleich der beiden Bundesländer kann ich sagen, dass sich in Sachsen-Anhalt die dezentrale Unterbringung und die Unterbringung von Familien in Wohnungen besser bewährt haben als die großen Gemeinschaftsunterkünfte in Thüringen. Hier hoffe ich, dass eine erneute politische Diskussion zur Willkommenskultur nachhaltige Veränderungen für die zum Teil schwer traumatisierten Menschen bringt“, so die Landesbischöfin vor der Synode. Die Kirchengemeinden und Kirchenkreise rief sie dazu auf, sich weiterhin ehrenamtlich für Flüchtlinge zu engagieren.
Die Jubiläen zehn Jahre Föderation und fünf Jahre Fusion zur EKM nimmt Junkermann zum Anlass für Rückblick und Vorausschau. Sie sieht die Landeskirche bei allen Unterschieden auf einem gemeinsamen Weg, lobt die Innovationskraft in allen Kirchenkreisen, und erinnert daran, dass in dieser I. Landessynode „nach den vielen Strukturdebatten wieder mehr die Fragen der inneren und geistlichen Entwicklung der Kirche und Gemeinden“ in den Blick gekommen sind. Die Gemeinde sollte Hauptaugenmerk der landeskirchlichen Arbeit und der Landessynode sein, betont die Landesbischöfin.
„Ein Umbau ist dran, ein Paradigmenwechsel findet statt“, ist sie sicher. „Wir sind in einer Situation, in der neue Rezepte und Programme nicht wirklich helfen. Und wir sind in einer Situation, in der die alten ,Rezepte’ und Programme nicht mehr tragen, ja, in der sie die haupt- wie ehrenamtlich und nebenamtlich Tätigen bis an den Rand der Erschöpfung bringen und auf Dauer schlicht überfordern.“ Lösungen könnten nicht allgemeingültig vorgegeben werden, sondern müssten jeweils vor Ort in der konkreten Situation und Konstellation gefunden werden. Ilse Junkermann wirbt für Vertrauen, dass sich basisnahe Lösungen auf dem „Weg des Probierens – Wahrnehmens – Reagierens“ einstellen werden. Die Landeskirche solle keine Direktiven vorschreiben, sondern als Impulsgeber für unterschiedliche Wege und Modelle wirken.
Zur Diskussion um Sterbehilfe fordert die Landesbischöfin, dass Ärzte auf keinen Fall „von Lebenshelfern zu Todeshelfern werden“. Der Suizid dürfe nicht zu einer „Behandlungsvariante“ unter anderen für schwer kranke Menschen werden, zumal dadurch ein gesellschaftlicher Druck entstehen würde, den Anderen „nicht zur Last zu fallen“. Junkermann: „Was ist das für ein Bild vom Sterben – und dann auch vom Leben – das hinter diesem Bestreben steckt, möglichst auf niemanden angewiesen zu sein?“ Sie plädiert für eine gute Begleitung Sterbender, für die Linderung von Beschwerden, für die Fürsorge in medizinischer, seelsorgerlicher und psychologischer Hinsicht, für eine bessere Palliativmedizin und für die Unterstützung von Hospizdiensten. Dies müssten wir uns viel mehr als bisher kosten lassen. „Die unverletzliche Würde jedes Einzelnen, sie gilt auch in Krankheit und Sterben, ja, auch für die Toten“, so die Landesbischöfin.
Die Landessynode besteht aus 82 gewählten und berufenen sowie solchen Mitgliedern, die ihr von Amts wegen angehören. Sie verkörpert die Einheit und Vielfalt der Gemeinden, Kirchenkreise, Dienste, Einrichtungen und Werke im Bereich der Landeskirche. Die Landessynode tritt in der Regel zweimal im Jahr zu mehrtägigen, öffentlichen Sitzungen zusammen.
Hinweise für die Redaktionen:
Die Tagung findet im Landeskirchenamt der EKM in Erfurt statt und ist öffentlich.
Den Ablaufplan sowie sämtliche Unterlagen zur Landessynode finden Sie in diesem Internet-Portal