PM 3 | 16.01.2008
Engagement zur Erhaltung von Kirchgebaeuden
Warum engagieren sich Nicht-Christen für Kirchen?
In der Kirchenprovinz Sachsen (größtenteils identisch mit dem Land Sachsen-Anhalt) gibt es rund 200 Kirchbaufördervereine. Ihre Mitglieder setzen sich für die Erhaltung, Instandsetzung und Nutzung von Kirchengebäuden ein. Dieses Engagement ist nun bis März 2009 Gegenstand eines Forschungsprojekts an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, das von der Evangelischen Kirche unterstützt wird. Besonders interessant ist das hohe bürgerschaftliche Engagement, da es sich um das am stärksten säkularisierte Gebiet Deutschlands handelt.
Die Bedeutung der historischen Bausubstanz der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (Sachsen-Anhalt sowie Teile Thüringens, Brandenburgs und Sachsens) ist außergewöhnlich. Ungefähr 2300 Kirchengebäude besitzt die Kirchenprovinz, davon sind 95 Prozent denkmalgeschützt und über die Hälfte stammen aus der Zeit vor 1500. Die Altmark hat mehr romanische Kirchenbauten als ganz Ungarn. Damit hat diese Landeskirche den dichtesten und bedeutendsten Sakralbaubestand aller Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zugleich handelt es sich allerdings um das am stärksten säkularisierte Gebiet der Bundesrepublik: Nur 15,5 % der Bevölkerung gehören dort, wo die Reformation ihren Anfang nahm, der evangelischen Kirche an.
„Die Kirchbaufördervereine sind in zweifacher Hinsicht ein interessantes Phänomen“, erklärt Prof. Dr. Klaus Tanner, Projektleiter und Dekan der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität. „Zum einen aufgrund des hohen ehrenamtlichen Engagements, das in seinen Gründen erforscht werden soll. Zum anderen sind die Kirchen offensichtlich so etwas wie eine ‚symbolische Mitte des Ortes’, für die sich auch Ausgetretene und Nichtchristen interessieren, auch als Muster der Identitätsbildung. Deshalb ist eine Analyse der vielschichtigen Bedeutung der Gebäude in der Lebensgeschichte der Engagierten und im Kontext des Ortes vorgesehen.“
Die Evangelische Kirche unterstützt das Forschungsprojekt mit rund 85.000 Euro. „Wir erwarten mit großer Aufmerksamkeit das Ergebnis der Studie. Ich vermute, diese Menschen engagieren sich nicht nur aus kunstgeschichtlichem Interesse. Wenn ein Kirchengebäude vom Verfall
bedroht ist, betrifft das meistens auch Traditionen und somit die eigene Familiengeschichte. Eine Kirche stiftet immer ein Stück dörfliche Identität. Vor diesem Hintergrund ist ‚Die Kirche muss im Dorf bleiben’ ein hochtheologischer Satz“, sagt Axel Noack, Bischof der
Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen.
Die Forschungsarbeit übernimmt im Wesentlichen die Theologin Grietje Neugebauer. Sie hat bereits in den Jahren 2004/2005 erste Untersuchungen durchgeführt und wird an diese Arbeiten anknüpfen. Neugebauer interessiert sich u.a. für die Motivationen und Schwierigkeiten der Vereine, aber auch für die Bedeutung dieser Initiativen angesichts des Strukturwandels im ländlichen Raum. „Es wäre zu kurz gegriffen, dieses zivilgesellschaftliche Engagement einfach als Form des Heimatbezugs affirmativ zu beschreiben. Die Aktivitäten sollten vielmehr als Geschehen innerhalb verschiedener Spannungsfelder betrachtet werden.“ Methodisch sind statistische Erhebungen ebenso vorgesehen wie teilnehmende Beobachtungen und Einzelinterviews.
Weitere Informationen im Internet:
www.uni-halle.de/theologie/kirchbauvereine
Fotos:
(zu bestellen per E-Mail bei: carsten.heckmann@verwaltung.uni-halle.de)
Brehna Außenansicht
Autobahnkirche Brehna, Förderverein Stadt- und Klosterkirche Brehna e.V.
Foto: Sonnhild Becher
Hohenwarsleben Arbeitseinsatz
St. Benedikt Hohenwarsleben, Förderverein Kirche Hohenwarsleben e.V., Arbeitseinsatz des Fördervereins
Foto: Peter Herrfurth
Hohenwarsleben Ansicht
St. Benedikt Hohenwarsleben, Förderverein Kirche Hohenwarsleben e.V., sanierte Kirche
Foto: Peter Herrfurth
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Klaus Tanner
Tel.: 0345 55 23017
E-Mail: tanner@theologie.uni-halle.de
Grietje Neugebauer
Tel: 0345 55 23010
E-Mail: grietje.neugebauer@theologie.uni-halle.de