PM 77 | 11.08.2011
Landesbischöfin und Kirchenamts-Präsidentin protestieren gegen Vorgehen der sächsischen Polizei

„Schutz des Seelsorge-Geheimnisses ist gefährdet“

Unmittelbar nach Rückkehr aus ihrem Urlaub äußert sich Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), bestürzt über das Vorgehen der sächsischen Polizei gegen Stadtjugendpfarrer Lothar König am 10. August 2011 in Jena:

„Die Durchsuchung des Dienstzimmers von Stadtjugendpfarrer König und die Beschlagnahmung von Datenträgern, die dienstliche und damit auch seelsorgerliche Belange betreffen können, ist skandalös. Es ist zentral für die Arbeit unserer Pfarrer, dass sich ihnen die Gläubigen und auch andere Menschen anvertrauen können, ohne die staatliche Kenntnisnahme befürchten zu müssen. Dieses Interesse ist verfassungsrechtlich geschützt. Die Religionsfreiheit und die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes verbieten es, dass Unterlagen im Zusammenhang mit seelsorgerlichen Informationen dem Staat zur Kenntnis gelangen oder auch nur gelangen können. Die Mitnahme des im Dienstzimmer befindlichen Computers und weiterer Unterlagen lässt die staatliche Kenntnisnahme von seelsorgerlichen Daten befürchten und hat daher zumindest den dringenden Verdacht rechtswidrig zu sein.
Wenn es möglich ist, so schnell das Seelsorge-Geheimnis zu gefährden, kann sich niemand mehr im seelsorgerlichen Gespräch sicher sein. Hier stellt sich für mich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Lothar König steht wie jeder Pfarrer in der Ausübung seines Dienstes unter dem Schutz und der Fürsorge der Kirche.“

Die Präsidentin des Landeskirchenamtes, Brigitte Andrae, hebt insbesondere den gravierenden Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Kirche hervor. Sie erklärte:

„Kirchliche Räume wurden ohne Vorinformation oder wenigstens Information des Dienstherrn durchsucht. Die kirchlich Verantwortlichen wurden nicht von den Behörden informiert. Es ist nicht zu erkennen, dass unmittelbare Gefahr in Verzug bestand. Kirchlichen Vertretern wurde der Zutritt verwehrt.
Für höchst bedenklich halte ich die Missachtung des besonderen Vertrauensschutzes, den kirchliche Räume und Amtsträger sowie Menschen, die diese aufsuchen, nach unserer Verfassung genießen. Es ist für mich nach dem jetzigen Informationsstand nicht zu erkennen, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft diesen Vertrauensschutz im Blick hatten. So stellen wir die Frage: Wie können die Verantwortlichen ausschließen, dass durch die gestrige Aktion die Rechte Dritter verletzt wurden und werden? Als Landeskirche protestieren wir gegen diese Vorgehensweise und fordern eine Klärung dieser Fragen.“

Für Landesbischöfin wie Präsidentin stehe außer Frage, dass die Polizei ihrer Ermittlungspflicht nachzukommen hat. Gewalt sei von keiner Seite aus zu rechtfertigen. Gerade deshalb sei in besonderer Weise abzuwägen, wie die Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit geschützt werden können. Menschen sollen nicht abgeschreckt, vielmehr ermutigt werden, diese als grundlegende demokratische Rechte wahrzunehmen.

RÜCKFRAGEN

Friedemann Kahl, 0151-59128575, oder Susanne Sobko, 0162-2048755

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