PM 119 | 01.11.2008
Pilger und Pferdefuhrwerk in Lutherstadt Wittenberg angekommen
"Mit Luther unterwegs“ – Von Erfurt nach Wittenberg
Pilger und Pferdefuhrwerk in Lutherstadt-Wittenberg angekommen
Nach einer Wegstrecke von 313 Kilometern ist die Pilgergruppe heute Vormittag an ihrem Ziel in Lutherstadt-Wittenberg angekommen. Sie ist auf dem Wittenberger Marktplatz von Bischof Axel Noack, Prälat Stephan Dorgerloh, Superintendent Christian Beuchel sowie dem Wittenberger Posaunenchor empfangen worden. Bei ihrer Ankunft stellte die Gruppe ihre 9,5 Thesen vor, die auf der Reise erarbeitet wurden. Ausgangspunkt für die Thesen war die Frage, was Luther uns heute zu sagen hat und was evangelisch ist. Mit der Pilgerreise ist die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) in die Luther-Dekade gestartet.
„Sie sehen glücklich aus“, sagte Dorgerloh, EKD-Beauftragter für die Luther-Dekade, zu den rund 50 Pilgerinnen und Pilgern. „Wer das Glück sucht, sollte pilgern gehen. Pilgern ist Gottesdienst auf zwei Beinen.“
Zwölf Tage waren die Pilger unterwegs. Am 20. Oktober begann ihre Reise in Erfurt und führte in täglichen Etappen von 20 bis 30 Kilometern nach Lutherstadt Wittenberg. Die Wegstrecke durch die Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ging größtenteils über Rad- und Feldwege, wobei eine Teilstrecke zum Ökumenischen Pilgerweg gehörte. Der Weg erinnerte an die Reise Luthers, der sich als Augustinermönch im Jahr 1508 ebenfalls von Erfurt nach Wittenberg aufgemacht hatte, um den Universitäts-Lehrstuhl für Moralphilosophie zu übernehmen.
Zur Stammgruppe gehörten 35 Pilger. Für Tagestouren schlossen sich Einzelpersonen sowie Gruppen an. Die Pilger kamen hauptsächlich aus dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Es waren aber auch Teilnehmer aus dem restlichen Bundesgebiet dabei, sogar aus Belgien hatte sich ein Ehepaar angemeldet. Pilgerstationen waren die Kirchen am Weg. Die Gemeinden luden zu Konzerten, Andachten, Ausstellungen, Vorträgen, Führungen und Diskussionsrunden ein. Außerdem bewirteten sie die Wanderer. Übernachtet wurde in einfachen Pilgerquartieren, auf Matratzen im Gemeinderaum oder auf Wunsch in Pensionen oder Hotels.
Mit Luther unterwegs
9,5 Thesen
1. Ich kann machen, was ich will !? Freiheit/Verantwortung
„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht über alle Dinge und jedermann untertan.“
(Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520 WA 7; 21,1.9)
„Christliche und evangelische Freiheit ist die Freiheit des Gewissens, durch die das Gewissen von Werken frei wird. Nicht, dass keine geschehen sondern dass es sich auf keine verlässt“
(De votis monasticis, 1521 WA 8 ; 606,30)
„Ich, Asche, Staub und voller Sünde, rede mit dem lebendigen, ewigen, wahren Gott. Da muss man wohl zittern, wie ich damals, als ich meine erste Messe las. Der frohe Glaube aber, der sich stützt auf die Barmherzigkeit und das Wort Gottes, der überwindet die Majestätsangst und steigt frech über sie hinweg.“
(WA 43; 378,37 f)
Kommentare der Gruppe „mit Luther unterwegs“:
Ja: Endlich, denn bis 1989 musste ich machen, was andere wollten. - Als Christ bin ich ein freier Mensch und nur gebunden an Gottes Wort. – Niemand bestimmt über mich, niemand hat Macht über mich. – Ich muss meinen Glauben nicht beweisen, muss nicht beten, zur Kirche gehen, Gutes tun, aber ich darf. - Ich will nach Gottes Willen fragen. - Ich kann machen, was ich will, wenn es den anderen dient. – Darum muss es Grenzen geben, welche? – Manchmal muss ich auch etwas tun, was ich nicht will und es trotzdem versuchen.
Ja, aber: Wenn jeder macht, was er will, entsteht nur Chaos. – Es gibt keine absolute Freiheit. Wer frei ist, ist verantwortlich. – Meine Freiheit endet, wo die der anderen beginnt. - Auch christliche Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden. – Manchmal mache ich nicht, was ich will. Ich bin zu feige und mache, was andere erwarten. – Ich will etwas machen, aber kann ich’s? – Was will ich überhaupt? – Ich will Gott fragen, was er mit mir will. - Ich will machen, was ich kann.
2. Ich darf so bleiben wie ich bin !? Rechtfertigung/Gnade
„Denn es ist kein andrer Gottesdienst, als allein zu glauben.“
(Predigt am 17. April 1530 WA 32;53,19)
„An dieser Stelle bei Paulus begann ich, die Gerechtigkeit Gottes von neuem zu verstehen. „Der Gerechte lebt aus Glauben“ Da hatte ich das Empfinden, ich sei geradezu von neuem geboren. Da zeigte mir die Schrift ein anderes Gesicht.“
(Vorrede zum ersten Band der Opera Latina, 1545 WA54;185,14)
„Weil er Gott ist, so kann und weiß er, wie er’s machen soll mit mir aufs Beste. Dieweil er Vater ist, so will er’s auch tun und tut es herzlich gerne. Dieweil ich nicht zweifle und mein Vertrauen auf ihn setze, so bin ich gewisslich sein Kind...“
(Betbüchlein 1522 WA 10 II; 389,24)
Kommentare der Gruppe „mit Luther unterwegs“:
Ja: Denn ich bin Gottes geliebtes Kind. – Er ist mein Vater, ich darf ihm vertrauen. - Ich bin endlich angekommen und angenommen. – Mit allen Stärken und Schwächen. – Ich darf mich hinnehmen und Dinge, die ich nicht ändern kann. - Ich muss nicht schlanker, schöner oder schlauer werden. – Ich muss mich nicht ständig neu erfinden, denn ich bin Gott gerade recht so. – Ganz unverdient, aus reiner Gnade. - Einfach „sein. – Und nun nicht mehr ich, sondern Christus in mir.
Ja, aber: Wenn ich Fehler mache, darf ich dann weiter so „sein?“ – Ich darf mich auch ändern, zum Besseren hin. – Nur wer sich annehmen kann, mit allen Schwächen, kann sich auch ändern. – Und wachsen und Frucht bringen. – Der Glaube, durch den Heiligen Geist geweckt, verändert mich täglich: frei zu sein, zu hoffen und zu lieben. Gott sei Dank! –
Wenn ich Gott finden will, darf ich nicht so bleiben wie ich bin. – Wenn jeder so bleibt wie er ist, würde die Welt nicht funktionieren. – Ich darf so bleiben wie ich bin, wenn ich mich auch ändern kann.
3. Ich muss immer besser werden !? Buße/Umkehr
„Indem unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: „Tut Buße“ wollte er, dass das ganze Leben der Glaubenden eine Buße sei.“
(Erste der 95 Thesen, Wittenberg 1517)
„ Der Glaube ist ein göttliches Werk in uns, das uns wandelt. Der Glaube fragt auch nicht, ob gute Werke zu tun sind, sondern ehe man fragt, hat er sie getan und ist immer im Tun.“
(Vorrede zum Römerbrief, 1522 WADB 7;8,30)
„Der Teufel disputierte heute Nacht mit mir und klagte mich an. Aber ich wollte ihm nicht antworten und sagte: Lecke du mich im Arsch. Da hörte er auf. Sonst kann man ihn nicht loswerden.“
(Tischrede 1532 WATR 1;24,1)
„Wir sind Bettler, das ist wahr“
(Am Todestag 16.2. 1546 WATR 5;317,16)
Kommentare der Gruppe „mit Luther unterwegs“:
Ja, aber: Ich darf doch bleiben, wie ich bin. - Nur kein frommer Leistungsdruck. – Was ist gut und besser? – Wer legt fest, was gut oder besser ist? - Wie gut muss ich werden und muss ich überhaupt? - Immer besser werden wollen, das ist gefährlich und geht schief. - Worin eigentlich besser werden?
Ja: Im Glauben, möchte ich besser werden. - Ich muss nicht, ich möchte immer besser werden. Dazu hat mich Jesus Christus befreit. – Der Glaube „wandelt“ mich, dreht mich um, setzt mich auf die richtige Spur, hin zu den Menschen. Das ist besser als gut. - Ich kann es jeden Tag neu versuchen. – Jeden Tag Gott und Christus besser kennen lernen. – Und für die Menschen da sein, „besser“ in Nächstenliebe. - Gute Werke heute: Zeit nehmen, Zuhören können, Zupacken, wo geholfen werden muss.
4. Nicht ohne Gott !? Lebenssinn/ Frömmigkeit
„Was heißt einen Gott haben oder was ist Gott? Antwort: ein Gott heißt das, von dem man erwarten soll alles Gute und Zuflucht haben in allen Nöten. Woran Du dein Herz hängst und verlässt, das ist dein Gott..“
(Großer Katechismus, Erklärung des 1. Gebots 1529 WA 30 I132,34)
„Denn das Beten hilft uns sehr und macht ein fröhliches Herz..“
(Tischrede 1531 WATR 1;49,26)
„Wie ein Schuster einen Schuh macht und ein Schneider einen Rock, also soll ein Christ beten. Eines Christen Handwerk ist beten.“
(WATR 6,162)
„Nach der Theologie ist keine Kunst der Musik gleich zu stellen, weil sie das schenkt, was sonst allein die Theologie schenkt: ein ruhiges und fröhliches Herz. Meine Liebe zur Musik sprudelt heraus, die mich so oft erquickt und aus großen Nöten befreit hat.“
(Brief an Ludwig Senfl, 1530 WAB 5; 639,1)
Kommentare der Gruppe „mit Luther unterwegs“:
Ja: Was spricht denn für „ohne“ Gott - Wer setzt uns sonst Anfang und Ende? - Gegen den dummen DDR-Slogan: „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein.“ - Gott ist der Schöpfer, die Sonne, das Licht der Welt. – Er ist das Licht in mir. – Jeden Tag, jede Nacht, jeden Augenblick ist er da. – Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen. – Gottes Geist hat mir den Weg gewiesen und dafür danke ich. – Ich bin mit Jesus unterwegs, denn nur durch den Weg zu Jesus kommt man zu Gott. - Ohne Gott kann und will ich mir diese Welt nicht vorstellen. - Was wir auch tun oder lassen, ob wir „ja“ sagen oder „nein“: Es geht nicht ohne Gott.
Ja, aber: Es geht nicht ohne Gott, aber mit ihm geht es manchmal auch nicht. – Schwierig, manchmal unvorstellbar, diese Welt mit Gott. - Gier und Geld regiert die Welt, Hunger und Elend, Banken und Börsen-Krisen, Klimakollaps, Kriege: Wo ist Gott? – Wen machen wir zu Gott, wen beten wir an? - Woran hängt unser Herz: Geld, Macht, Traumauto, Traumhaus, Erfolg? – Dennoch: Nicht ohne Gott, auch wenn sich vieles gottlos anfühlt. – Durch ihn und mit ihm ist (uns) alles möglich. – „Beten hilft, Musik macht fröhlich“ also froh beten, singen und weiter geht’s mit Gott und uns.
5. Nicht ohne Bibel !? Bibel/Gottes Wort
„Das Wort sie sollen lassen stahn.“
(Lied Ein feste Burg, 1529, EG 362 Vers 4)
„ Du bist selbst deine Bibel, dein Meister, Prediger und Doktor. Und du wirst finden, wie dies Buch durch alle deine Werke, Worte, Gedanken, Herz, Leib und Seele geht: Richte dich nur danach, so wirst du weise und gelehrt genug sein...“
(Wochenpredigten über die Bergpredigt 1530/32 WA 32;495,25)
„Man muss nicht die Buchstaben fragen, wie man Deutsch reden solle. Sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den Mann auf dem Markt danach fragen und denselben aufs Maul sehen, wie sie reden und danach übersetzen. So verstehen sie es dann und merken, dass man deutsch mit ihnen redet“
(Sendbrief vom Dolmetschen 1530 WA 30,2)
Kommentare der Gruppe „mit Luther unterwegs“:
Ja: Diesen Schatz hat Luther für uns neu entdeckt. - Wir wären dumm, diesen Reichtum zu verachten. – Dumm, nicht darin zu lesen und danach zu leben. - Die Bibel ist nie ausgelesen, immer entdecke ich neue Juwelen. – Geschichten und Gedanken aus einer anderen Zeit, die mir bis heute helfen. – Bibel bedeutet Trost und Orientierung. – Wunderbare Worte, Gottes Worte. – Aus dem Mund und der Erfahrung von Menschen. – Über Grenzen hinweg, die Welt verbindend. – Menschen aller Hautfarben können sich in der Sprache der Bibel finden. – Die Sprache der Liebe Gottes.
Ja, aber: Aber die Bibel kann nicht einfach gelesen werden. Wer übersetzt und legt sie aus? -
Luther schaut wunderbar dem „Volk aufs Maul“! Wer macht das heute? - Luthers tolle Bibelübersetzung bleibt aber aus dem Mittelalter. Nicht mehr zu verstehen? – Muss nur erklärt, erläutert werden. – Die Bibel darf nie blind gelesen werden. Sie muss geschichtlich gesehen werden. – Das Volk nicht verdummen! - Wer liest noch die Bibel? Und der Koran? Was wird mehr gelesen und gelebt? – Die Bibel als Betriebsanleitung fürs Leben. - Wie kann sie ein Lebens-Lehrbuch werden? – Ein Buch, das durch „Herz, Leib und Seele“ geht?
6. Nicht ohne Lehrbuch !? Katechismus/Lehre
„Diesen Katechismus oder christliche Lehre in eine schlichte, einfache Form zu bringen, hat mich die elende Not gezwungen und gedrungen, die ich erfahren habe, als ich Visitator war. Hilf, lieber Gott, wieviel Jammer habe ich da gesehen! Der ungelehrte Mann weiß doch gar nichts von der christlichen Lehre, besonders auf den Dörfern, und viele Pfarrer sind sehr ungeschickt und untüchtig zu lehren.
(Vorrede zum Kleinen Katechismus 1529)
Lehre sie für das allererste folgende Stücke: die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser nach dem Text, Wort für Wort, daß sie es auch so nachsprechen können und auswendig lernen. Bei dem jungen Volke bleibe bei einer festen, ewigen Form und Weise.
Denen aber, die es nicht lernen wollen, sage man, wie sie dadurch Christus verleugnen und keine Christen sind.
(Vorrede zum Kleinen Katechismus 1529)
„`Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.´ Dies ist der Psalm, den ich lieb habe. Er hat sich redlich um mich verdient gemacht und mir aus manchen großen Nöten geholfen. Denn es sind nicht Leseworte sondern lauter Lebeworte darinnen.“
(Auslegung des 118. Psalms 1529 WA 31 I;66,17)
Kommentare der Gruppe „mit Luther unterwegs“:
Ja: Auch Glauben muss man lernen, einüben schon als Kind. – Geht das? – Warum nicht? - Es geht nicht ohne Lehrbuch. – Aber der Katechismus? – Geht nicht ohne Auslegungen. Die Gebote, das Glaubensbekenntnis, alles muss gut erklärt werden. - Die meisten Texte erschließen sich erst, wenn man erwachsen wird. Dann nehmen sie Gestalt an. – Aber von klein auf muss ich beten lernen, die Bibel kennen lernen. – Und Menschen, die danach leben.
Ja, aber: Der Katechismus wird oft nicht mehr gelehrt. – Darf keine Dogmensammlung sein, nur die Grundlage, im Glauben zu wachsen. - Ist zu prüfen: Was ist gültig über Jahrhunderte? Was muss neu überdacht, anders gesagt werden? – Bekannte Stücke wie das Vater Unser sind zu bewahren. – Alte Worte können tragen. – Auswendig lernen, um inwendig gestärkt zu werden. – Gebete und Psalmen, die man „lieb hat“! - Kinder und Konfirmanden sollen wieder mehr lernen. – Wie geht das ohne Eltern? – Lust machen, die „Lebeworte“ der Bibel zu entdecken. - Mit Lehrbuch: Das Evangelium als frohe Botschaft weitergeben...
7. Wir sind Papst !? Gemeinde/Hierarchie
„Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, daß es schon zum Priester, Bischof und Papst geweihet sei, obwohl es nicht einem jeglichen ziemt, solch Amt auszuüben.“
(An den christlichen Adel deutscher Nation, Von des christlichen Standes Besserung 1520)
„Kirchengemeinschaft bedeutet, dass kein Gläubiger je allein lebt oder allein stirbt, sondern in der Gemeinschaft der Heiligen geschützt und getragen ist.“
(1520, WA BR 2, 152, 23 f)
“Ein Prediger soll Zähne im Mund haben, beißen, salzen und jedermann die Wahrheit sagen. Denn so tut Gottes Wort, dass es die ganze Welt antastet, Herrn und Fürsten und jedermann ins Maul greift. “
(Kirchenpostille 1522 WA 10 I 1;47,2)
Kommentare der Gruppe „mit Luther unterwegs“:
Ja: Wir sind das Volk, wir sind Gemeinde, wir sind Papst und zwar gemeinsam. – Das „Priestertum aller Gläubigen“ ist urevangelisch. – Der Papst ist einer unter Gleichen. – Nicht nur einer zählt, sondern mehrere. – Wer sagt uns, wie und was Kirche ist? – Und wer sagt den „weltlichen Herren“ heute die Wahrheit? – Wer trägt Verantwortung? – Alle sind Papst, alle bestimmen in der Kirche wo´s langgeht! – Aber wer lenkt den Wagen?
Ja, aber: Wir sind frei, brauchen wir noch Papst und Kirche? – Jedenfalls keinen Benedetto-Jubel. – Muss ich jetzt Papst sein? Nein, ich habe keinen Gott, aber Gott hat mich. - Oft denke ich, ich sei unfehlbar, das verwerfe ich schnell, denn dann müsste ich ja ... Also ich bin kein Papst! – Wer ist unser Papst bei dieser Pilgerreise? – Jedermann! – Aber einer muss den Hut aufhaben, besser die „Tiara“, beim Pilgern, in der Gemeinschaft, im Leben. – Ja, aber nur als ein Amt unter anderen, und liebevoll! - Papst sein: geht nur mit Gnade und Demut. – Im Reich Gottes gibt es Gemeinschaft, keine Rangordnungen. - Wir sind keine Stellvertreter Gottes sondern Reben am Weinstock Christi. – Wir wachsen aus ihm, auch der Papst...
8. Wir machen Politik !? 2-Reiche-Lehre/Kirche und Welt
„Dieses Leben ist so beschaffen, dass man nicht müßig stehen soll, sondern fortschreiten, nämlich etwas schaffen soll im Haus oder im Staat: Verleihe also Gnade, dass wir dies weise, in Demut tun.“
(1541 WA 40 III;574,18)
„Auch wenn die Obrigkeit eine Ordnung Gottes ist, so muss auch die Politik getadelt werden, dass sie die Untertanen nicht mit Wucher und schlechter Fürsorge niederdrücken. Aber die Art und Weise, wie Brot und Fleisch verkauft werden, wie das Einkommen besteuert werden soll, das ist nicht Sache des Predigers.“
(Tischrede 1540 WATR 5;32,19)
„Fragst du, ob ein Christ das weltliche Schwert führen dürfe und die Bösen strafen? Da ist das andere Stück, dass du dem Schwert zu dienen schuldig bist. Denn es ist ein Werk, das aller Welt und deinem Nächsten von Nutzen und nötig ist. Darum: Wenn Du sähest, dass es am Henker, Richter oder Fürsten mangelte, solltest du dich darum bewerben.“
(Von weltlicher Obrigkeit 1523, WA 11, 254, 11.34)
„Und ich rate, dass wer unter unfriedlichen Fürsten Krieg führt, dass er aus dem Feld laufe und seinen rachgierigen, unsinnigen Fürsten allein und für sich selbst mit denen zusammen Krieg führen lasse, die mit ihm zum Teufel fahren wollen.“
(Sendbrief an Kurfürst Johann Friedrich 1542, WAB 10; 36, 157)
Kommentare der Gruppe „mit Luther unterwegs“:
Ja: „Suchet der Stadt Bestes“, damit ist der Auftrag angedeutet. – Wir leben in der Öffentlichkeit, da müssen wir auch Stellung beziehen. - Christus kam in die Welt, Christen sind Teil der Welt. Wir sind eingemischt. – Christen haben die Pflicht, sich einzumischen. – Wann? Immer? – Wenn es um die Würde des Menschen geht, wachsam sein. - Sterbehilfe, Armut, ungerechte Verteilung, Friedensethik... – „Wer läuft heute aus dem Felde..?“ wie ist das mit den militärischen „Friedenseinsätzen?“ - Kirche sollte Vorreiter sein in ethischen Fragen. Nicht zu zögerlich warten mit Antworten.
Ja, aber: Die Kirche sollte sich heraushalten, nur die Gemeindeglieder sollten politisch tätig sein. - Kirche darf keine parteipolitische, muss aber klar eine politische Position benennen. -
Wir sollten uns nicht zu sehr der Politik unterordnen. – Die Politiker können auch nicht alles richten. – Wir sollten mehr für unsere Politiker beten. – Seid wachsam, engagiert euch. Alle!
9. Wir machen die Erde untertan !? Ehrfurcht vor dem Leben
„Wer aber Gott erkennt, der erkennt auch die Kreatur, versteht sie und hat sie lieb. Denn in der Kreatur sind die Fußtapfen der Gottheit.“
(1535 WA 43;276, 27)
„So ist unser Haus, Hof, Acker, Garten und alles voller Bibel, wo Gott durch seine Wunderwerke nicht bloß predigt, sondern auch an unsere Augen klopft, unsere Sinne rührt und uns gleichsam ins Herz leuchtet...“
(Predigt 1544 WA 49;434,16)
„Viele unserer Beschwerden kommen ja daher, dass die Luft und Erde vergiftet wird und dadurch Früchte, Wein und Getreide. Wenn Du darein einwilligst, müssen wir uns den Tod an unseren eigenen Erzeugnissen anessen und antrinken.“
(Gebet WA 2, 178f. in Martin Luther, Das Handwerkszeug des Christen, Stuttgart 91, S. 98)
Kommentare der Gruppe „mit Luther unterwegs“:
Ja: Dieser Auftrag gilt, aber nur in Verantwortung vor dem Schöpfer. – Wer sind wir, dass er sie uns anvertraut hat? – Gott traut uns vieles zu. Auch, dass wir verantwortlich mit diesem Planeten umgehen. – „Untertan machen“ heißt, gut für seine Untertanen zu sorgen. – Die Schöpfung bebauen und bewahren. – Die eine Welt, die Erde nicht ausbeuten. - Da müssen wir noch viel lernen. - Wir sind mittendrin, auszubeuten, jeder und jede, oder?
Ja, aber: Wir haben die Erde untertan gemacht. Und wundern uns, dass sie sich wehrt. – Klimakollaps, Umweltzerstörung: Auch Christen haben da ein Schuldbekenntnis abzugeben. - Den Auftrag falsch verstanden. – „Untertan machen“? Wozu hat das geführt? Da gefällt mir Luthers „lieb haben“ besser. – Ehrfurcht vor dem Leben haben. Und fragen: Wem sind wir untertan? - Mehr teilen, weniger konsumieren. Das wäre mehr Lebensqualität. – Wir sollten mehr an unsere Kinder und Kindeskinder denken. – „Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn.“
9,5. Hier stehe ich !
Was ich (zu) Luther schon immer mal sagen wollte...
Kommentare der Gruppe „mit Luther unterwegs“:
Hier stehe ich, Bruder Martinus und danke:
Für dein Ja zum Leben mit Gott, einem liebevollen Gott
Für deine Entdeckung „Allein die Schrift, allein aus Glauben, allein aus Gnade“
Für deine neue Bewertung der Arbeit und der Werke. Zum Aufatmen!
Für deine wunderbare, deutliche, kräftige Sprache
Für deine lebendige Bibel, die Predigten, die Lieder
Hier stehe ich und bewundere:
Deinen Mut, gegen Kaiser und Papst aufzustehen
Deinen Mut, für das Evangelium zu kämpfen
Deinen Mut, frei zu denken und zu handeln
Deinen Mut, Katharina zu heiraten
Hier stehe ich und sage:
Wir sollten mehr Gott gehorchen als den Menschen
Wir sollten klarer zur Wahrheit stehen
Wir sollten mehr nach dem Evangelium leben
Hier stehe ich und frage:
Was hattest Du gegen die Juden? Warum diese grausame Hetze?
Was hattest Du den Bauern vorzuwerfen?
Hast Du die Sprengkraft des Evangeliums unterschätzt?
Hast Du manches bereut, was du getan und gesagt hast?
Warst Du manchmal zu ungeduldig, zu unbeherrscht?
Hier stehe ich und werfe dir vor:
Du bist 500 Jahre zu früh geboren. Wir brauchen dich - jetzt!
Bei Rückfragen: Friedemann Kahl, 0151/59128575