26.08.2019
Bischöfin würdigt Jenas Stadtjugendpfarrer König

Jena (epd). Der langjährige Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König ist am Sonntag mit einem Gottesdienst in der Jenaer Stadtkirche St. Michael vom Dienst entpflichtet worden. Die scheidende Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, würdigte vor der Verabschiedung Königs in den Ruhestand dessen Wirken.

"Ich habe Lothar König als einen Pfarrer kennen- und schätzen gelernt, der seinen Dienst ganz von Jesu Bergpredigt her versteht und wahrnimmt", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Wie anstößig und provozierend das Evangelium ist, das wurde immer wieder anschaulich in seinem radikalen Einsatz für Gewaltfreiheit und Menschenwürde", sagte Junkermann. Und wie bedingungslos liebend und annehmend Jesu Botschaft sei, habe er in der Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen gelebt, die am sogenannten Rand der Gesellschaft und der Kirche lebten, fügte sie hinzu. Um dieser Botschaft willen habe König keinen Streit oder Konflikt gescheut und sich selbst in nicht wenige strittige Situationen begeben. "Ich bin dankbar für sein Wagnis eines klaren Zeugnisses von der Menschenliebe Gottes und wünsche ihm Gottes Segen für seinen Ruhestand", erklärte die Geistliche.

König, Jahrgang 1954, wuchs in einem Dorf im Südharz auf. Nach der Ausbildung zum Diakon studierte er Theologie in Erfurt und Jena, wo er in Kontakt zur Jungen Gemeinde "Stadtmitte" kam. In der Offenen Arbeit lernt er dort neue Formen der kirchlichen Jugendarbeit kennen: Lesekreise, Rockmusik und freie Gespräche, aber auch Aktionen gegen den repressiven DDR-Staat.

Nach einer ersten Pfarrstelle in Merseburg kam König 1990 als Stadtjugendpfarrer nach Jena. Er warnte früh vor der Neonazi-Szene der Stadt, deren Opfer er selbst wurde. Überregionale Bekanntheit erlangte der Geistliche, als er nach einer Teilnahme an einer Anti-Nazi-Demonstration 2011 in Dresden wegen eines angeblichen Aufrufs zu Gewalt wegen des Vorwurfs des schweren Landfriedensbruchs angeklagt wurde. Der Prozess wurde 2013 eingestellt, allerdings musste König 3.000 Euro zahlen.

 

Der Unbequeme - Porträt (Dirk Löhr/ epd)

Mit seinen kompromisslosen Auftreten für seine Junge Gemeinde, mit seinem Kleinbus, der fast auf jeder Demo gegen alte und neue Nazis auftaucht, seine ganze Art bis hin zur unvermeidlichen Fluppe - Lothar König nervt. Seit mehr als drei Jahrzehnten gilt für ihn: irgendwas ist immer.

"Diplomatisch ausgedrückt: er ist unbequem", sagt Christhard Wagner und lächelt. Früher war er Landesjugendpfarrer und lange Jahre Königs Vorgesetzter.

Wenn einer für Menschen da ist, die Sorgen machen, weil sie Sorgen haben, geht das nicht anders, meint Wagner. Wenn einer mit den unangepassten Leuten geht, die in der normierten Gesellschaft nicht zurechtkommen, "der geht auch manchmal zu weit". Das gelte heute wie vor 40, 50 Jahren, als sich die Offene Arbeit als Angebot der Kirchen etablierte.

Lothar König, Jahrgang 1954, wächst in einem Dorf im Südharz auf. Der Ärger mit der Obrigkeit beginnt in der Schule. Er setzt sich 1968 für Dubceks Prager Frühling ein und lernt Volkspolizei und Stasi kennen.

Er wird erst Zerspanungsfacharbeiter und 1977 Diakon. Später studiert er Theologie in Erfurt und Jena und stößt schnell zur Jungen Gemeinde Jena "Stadtmitte". In der Offenen Arbeit lernt er neue Formen der kirchlichen Jugendarbeit kennen: Lesekreise, Rockmusik und freie Gespräche, aber auch Aktionen gegen das repressive System.

Seit 1986 lebt er als Pfarrer in Merseburg. Im Schatten der Schornsteine der Chemiewerke von Buna und Leuna baut er eine Junge Gemeinde auf. Seine Stasiakte wird immer dicker. Dann kommt der Herbst 1989. Der Pfarrer organisiert die Montagsdemos in der Stadt mit.

1990 zieht König nach Jena. Dort wird die Junge Gemeinde mehr und mehr zum Ziel einer erstarkenden Neonazi-Szene, die schließlich der rechten Terrorgruppe NSU den Boden bereitet. Aus den Auseinandersetzungen trägt der Pfarrer eine Narbe über dem rechten Auge davon - von einem Schlagring. Seine Warnungen vor den Rechtsextremen finden wenig Gehör.

Der Pfarrer kümmert sich um die linken und die christlichen, vor allem um die suchenden Jugendlichen. Mehr und mehr gerät er mit seinen Schützlingen in den Blick von Polizei. Es gibt Drogenrazzien und andere Schikanen, Gelder werden gestrichen. Vielen in der Stadt, die wirtschaftlicher Leuchtturm im Osten sein will, stinkt der bunte Haufen. Das alles steht der stämmige Mann mit dem Rauschebart anscheinend stoisch durch; die nackten Füße in den ewigen Sandalen fest auf dem Boden - und fester noch im Glauben.

Den braucht er auch. 2011 protestiert er mit seiner Jungen Gemeinde zusammen mit Tausenden gegen Neonazis in Dresden. In Sachsens Landeshauptstadt kracht es. Danach will die Justiz dem Gottesmann den Prozess machen. Er soll von seinem Kleinbus, dem "Lauti", zu Gewalt aufgerufen haben. Der Vorwurf: schwerer Landfriedensbruch.

Sächsische Polizisten durchsuchen sein Haus - ohne sich in Thüringen anzumelden. Zeugenaussagen stellen sich als falsch heraus, von der Anklage präsentierte Tonbandmitschriften entpuppen sich als wahrheitsfern.

Der Prozess macht Lothar König populär. Seine Kirche steht hinter ihm. Eine breite Öffentlichkeit solidarisiert sich mit ihm, die Zeitungsseiten sind voll mit seiner Geschichte.

Der erste Prozess platzt, ein zweiter endet 2013 mit der Einstellung des Verfahrens. Allerdings muss König 3.000 Euro zahlen. Es ist sein Beitrag zum Rechtsfrieden, begründet er den Vergleich. Er verspricht, ich bleibe Aufrührer mit Sinn und Verstand gegen Unrecht in diesem Land.

Nun sind es nicht nur die Nazis, gegen die er aktiv vorgeht. Auch die AfD bekämpft er seit ihrem Erstarken. Die Auseinandersetzungen bleiben nicht folgenlos. Mal beschlagnahmen Polizisten bei ihm Datenträger, mal nehmen sie ihm den Führerschein weg, weil er einen Beamten angefahren haben soll. Es bleibt dabei: irgendetwas ist immer.

Der "andere" Lothar König sorgt weniger für Schlagzeilen. Erst Anfang Juli wieder, mit der Werkstatt der Offenen Arbeit. "Nach fast 30 Jahren Neuzeit, nach 28 Werkstätten, zwölf Radikalen Filmnächten, Konzerten mit unzähligen Bands und Gästen aus aller Welt geht eine Zeit zu Ende. Es ist die letzte Werkstatt mit Lothar", meint Georg Antonow, ein Ehrenamtlicher bei der "Stadtmitte". Es stehe ein Umbruch bevor. Auch für Lothar König, den Ruheständler.

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