09.02.2022
Debatte zur Impfpflicht: Sachsen hat noch Fragen

Dresden (epd). Im Streit über die Einführung einer einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht kommen nach Bayern nun auch aus Sachsen kritische Signale.

Die sächsische Landesregierung wolle mit der Herausgabe eines Leitfadens zur Anwendung der gesetzlich verankerten Impfpflicht zunächst noch warten, sagte Regierungssprecher Ralph Schreiber am Dienstag nach der Kabinettssitzung in Dresden. Es seien noch zu viele Fragen offen.

Sachsen hatte für Freitag einen Leitfaden zur Umsetzung des neuen Gesetzes angekündigt. Nun wolle der Freistaat aber die Bund-Länder-Konferenz am 16. Februar abwarten. Das Gesetz zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht soll ab 16. März gelten. Möglichkeiten des Übergangs soll es geben.

„Wir haben große Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Gesetzes“, sagte Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig (SPD). Daher sei der Freistaat mit dem Bund im Gespräch. Grundsätzlich werde das Gesetz aber nicht in Frage gestellt.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Montag überraschend angekündigt, die für das Personal unter anderem in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen geltende Impfpflicht in seinem Bundesland vorerst nicht umzusetzen.

Verbände fordern indes Planungssicherheit. „Für die Einrichtungen, die Beschäftigten und vor allem die Menschen mit Pflegebedarf muss jetzt Klarheit herrschen, wie sie ab dem 16. März die Versorgung organisieren und sicherstellen können“, sagte die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Menschen dürften nicht zum Spielball von Politik und Bürokratie werden.

Kritik kommt auch von der Diakonie Sachsen. „Das Gesetz ist handwerklich so schlecht gemacht, dass die damit verbundenen Unsicherheiten und Implikationen vielen unserer diakonischen Träger mehr als Kopfzerbrechen bereiten“, erklärte Sachsens Diakoniechef Dietrich Bauer. Nach derzeitigem Stand werde ein Chaos befürchtet. Ein „Unruhepotential“ sei schon jetzt „tagtäglich mit Händen zu greifen“.

Es müsse „endlich eine umfassende Klärung herbeigeführt werden, wie es ab Mitte März weitergehen kann“, erklärte Bauer. Die Diakonie Sachsen sei mit mehr als 9.000 Plätzen in der stationären Altenhilfe, 115 ambulanten Pflegediensten und 8.000 Wohnangeboten für Menschen mit Behinderung einer der großen Anbieter in Sachsen. Sie sei verantwortlich für das Wohlergehen sehr vieler Menschen, die in diesen Einrichtungen gepflegt und betreut würden.

Laut Medienberichten haben sich in Sachsen bisher etwa zwei Prozent der Pflegekräfte beim Arbeitsamt gemeldet. Etwa ein Drittel der Pflegekräfte im Freistaat sind laut Gesundheitsministerium ungeimpft, vor allem Beschäftigte im ländlichen Raum.

Auch für die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, sind beim Thema Impfpflicht noch zu viele Fragen offen. Im RBB-Inforadio sagte sie, nicht geklärt sei etwa die Haftung, wenn ungeimpftes Personal noch weiter beschäftigt wird, bis das Gesundheitsamt darüber entscheidet, ob sie die Einrichtung betreten dürfen.

Impfpflicht wird Wettbewerb um Fachkräfte anheizen | DEKV-Vorsitzender Radbruch: Klärung mit Gesundheitsämtern

Weimar (G+H) – Bei der Umsetzung der Impfpflicht rechnet der Vorsitzende des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV), Christoph Radbruch, mit einem deutschlandweiten Flickenteppich. Radbruch begründete das gegenüber der in Weimar erscheinenden Mitteldeutschen Kirchenzeitung "Glaube+Heimat" (Ausgabe zum 13. Februar) mit dem „erheblichen Ermessensspielraum“ der Gesundheitsämter. Die Impfpflicht ist zwar ein Bundesgesetz, die Ausgestaltung liege aber auf Ebene der Länder und Kommunen. „Der DEKV rät seinen Mitgliedern, mit den Gesundheitsämtern vor Ort Kontakt aufzunehmen, um zeitnah eine Klärung herbeizuführen“, so Radbruch.

Unterdessen werben die Verbände und Träger bei ihren Angestellten dafür, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. "Aber eine nur auf bestimmte Einrichtungen bezogene Impflicht wird kritisch gesehen“, teilt der DEKV-Vorsitzende mit und verweist auf „hervorragende Hygienekonzepte“ der Einrichtungen. So würden zum Beispiel in Krankenhäusern nicht immunisierte Mitarbeiter täglich getestet. „Und da auch dreifach geimpfte Mitarbeiter das Virus weitergeben können, wird es keinen wesentlichen zusätzlichen Patientenschutz geben", so Radbruch.

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg betonte zudem, dass auch eine Reduzierung der Pflegekräfte "in ganz geringen Prozentzahlen" die Versorgung der Patienten erschweren werde. Schon jetzt sei die Situation angespannt, Personal werde händeringend gesucht. „Es ist durchaus möglich, dass die Folgen der Impfpflicht den Wettbewerb noch anheizen werden“, wird Radbruch in der Kirchenzeitung zitiert.

Impfpflicht: Ramelow kritisiert Söder

Frankfurt a.M. (epd). Der Sozialverband VdK Deutschland kritisiert die bayerische Ankündigung zur Aussetzung der Corona-Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Dadurch würden Menschenleben in Gefahr gebracht, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Dienstag). Der Städte- und Gemeindebund indes äußerte Verständnis für die bayerischen Pläne.

VdK-Präsidentin Bentele kritisierte, der Schutz der Heimbewohnerinnen und -bewohner gerate komplett aus dem Fokus: „Es gibt ein Gesetz, das zum Schutz dieser Menschen verabschiedet wurde. Wird es wegen fehlender Kontrollen nun nicht umgesetzt, bringt das Menschenleben in Gefahr.“ Es zeuge von einem „erstaunlichen Demokratieverständnis, wenn ein Ministerpräsident, dessen Partei die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Infektionsschutzgesetz mit verabschiedet hat, diese nun nonchalant durch die Hintertür aushebelt“.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Montag angekündigt, die ab Mitte März für das Personal unter anderem in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen geltende Impfpflicht in seinem Bundesland vorerst nicht umzusetzen. Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) äußerte sich kritisch über seinen Amtskollegen Söder. „Man darf als Ministerpräsident nicht den Eindruck erwecken, dass man nicht mehr bundestreu ist. Die Situation ist ja schon aufgeheizt. Dann hätte er vorher auf die Bremse treten müssen“, sagte der Linken-Politiker dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Dienstag).

Impfpflicht: Berufsverband für Pflegeberufe kritisiert Söder

Berlin (epd). Die Ankündigung Bayerns, die einrichtungsbezogene Impfpflicht vorerst nicht umzusetzen, sorgt für Kritik. Im RBB-Inforadio warf der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) am Dienstag vor, ein verheerendes politisches Signal zu senden. Die Pflegekräfte seien irritiert, sagte die Geschäftsführerin des Regionalverbands Nordost, Natalie Sharifzadeh.

„Wir hören von anderen Bundesländern, dass sie durchaus bereit sind, das durchzusetzen. Mal jenseits von der Gefährdung, die von Ungeimpften für die Bewohnerinnen und Bewohner ausgehen kann - und wir reden da ja nicht nur von Pflegenden, sondern wir reden von Friseuren, von Seelsorgern, von Physiotherapeuten - finde ich es auch ein fatales Signal rein politisch“, sagte Sharifzadeh. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei im Dezember von allen beschlossen worden. „Und nun sagt einer im Alleingang: ach nö, machen wir doch nicht. Politisch sorgt das für große Unsicherheit“, kritisierte sie

Tatsächlich habe der Verband auch von Pflegekräften gehört, die gesagt hätten, wenn jetzt die Impfpflicht komme, „dann müssen wir uns auch impfen lassen“, sagte Sharifzadeh. Das wäre eine gute Möglichkeit gewesen, das Gesicht nicht zu verlieren: „Die ziehen jetzt nach der Ankündigung von Herrn Söder wieder zurück.“

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