27.01.2021
Individuelles Innehalten statt offizielle Gedenkfeiern: Thüringen verlegt die Erinnerung an die Opfer des Holocaust ins Internet

Erfurt (epd). In der anhaltenden Corona-Pandemie hat Thüringen sein offizielles Gedenken am 27. Januar ins Internet verlegt.

Zudem wurden die Bürger zum individuellen Innehalten am Gedenktag an die Opfer des Holocaust 76 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee ermutigt. So laden am Mittwoch unter anderem eine Freiluft-Fotoausstellung vor dem Landtag und der Erinnerungsort "Topf & Söhne - die Ofenbauer von Auschwitz" in Erfurt zu einem Besuch ein.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rief dazu auf, die Erinnerung an die Millionen Morde der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft lebendig zu halten. "Unsere Verantwortung für das Geschehene verjährt nie", erklärte er in einem vorab verbreiteten Statement am Dienstag. Ein entsprechendes Video soll am Mittwoch freigeschaltet werden.

Auch in Zukunft müsse die Gesellschaft beharrlich an den Fragen arbeiten, wie ein solches Morden möglich war, betonte Ramelow und verwies auf die Freiluft-Ausstellung "KZ überlebt" im Beethoven-Park direkt vor dem Erfurter Landtag. Dort werden auf elf mobilen Großflächen die Porträts von 16 Holocaust-Überlebenden zusammen mit biografischen Texten gezeigt. Die zwischen 2010 und 2014 entstandenen Aufnahmen von Stefan Hanke berichteten von der unauslöschlichen Sehnsucht der Überlebenden nach Freiheit, sagte Ramelow.

Auch die Kranzniederlegung der Landesregierung und des Landtages sowie von Vertretern der Zivilgesellschaft auf dem Gelände des früheren KZ Buchenwald muss in diesem Jahr entfallen. Der Name des Lagers bei Weimar stehe für Millionen Juden, Sinti und Roma, Oppositionelle, Kriegsgefangene, Kranke, Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und sogenannte Asoziale, die im Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden, sagte der Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner.

Viele Deutsche hätten sich aus eigenem Antrieb an den Verbrechen beteiligt. "Heute nehmen überall auf der Welt Geschichtsrevisionismus, Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus zu. Dem müssen wir eine ethisch fundierte und wissenschaftlich begründete Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen entgegensetzen", erklärte der Historiker. Aller Ziel müsse es sein, ein aufgeklärtes Geschichtsbewusstsein zu stärken, "das sich den Gefährdungen unserer demokratischen und weltoffenen Kultur entgegenstemmt", fügte er hinzu.

In einem Video von der gemeinsamen ökumenischen Gedenkfeier Erfurter Juden, Katholiken und Protestanten ruft Landesrabbiner Alexander Nachama die Thüringer zur Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte auf. Das sollte schon aus reiner Neugier geschehen, ohne gleich nach einer möglichen Schuld oder Verstrickung der Groß- oder Urgroßeltern in die Schoah zu fragen, sagte er. Aus der Beschäftigung mit der eigenen Geschichte könne auch die Verantwortung erwachsen, den aktuellen Formen des Antisemitismus entgegenzutreten, erklärte der jüdische Geistliche.

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