11.05.2022
Mitteldeutscher Diakoniechef: Flüchtlinge erster und zweiter Klasse
Weimar/Halle (G+H) – Der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Mitteldeutschland, Oberkirchenrat Christoph Stolte, hat sich gegen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft von Geflüchteten ausgesprochen.
"Wir haben jetzt Flüchtlinge erster und zweiter Klasse. Ist das politisch gewollt?", fragt der Diakoniechef im Gespräch mit der in Weimar erscheinenden Mitteldeutschen Kirchenzeitung "Glaube+Heimat" (Ausgabe zum 15. Mai). Ukrainische Flüchtlinge würden dezentral untergebracht und bekämen sehr schnell Wohnungen und eine Arbeitserlaubnis. Die Integration falle leichter, da hier Europäer kämen, so Stolte. Aber das sei nicht richtig. Er habe den Eindruck, dass beispielsweise afghanische Ortskräfte nicht gleichermaßen willkommen seien. "Ich kann nachvollziehen, dass es einfacher ist, Menschen zu integrieren, die uns kulturell vielleicht näher sind, aber Nächstenliebe kennt diese Unterschiede nicht", so der Oberkirchenrat weiter.
In dem Gespräch mit der Kirchenzeitung kritisierte der Theologe das Prüfverfahren zur Umsetzung der Impfpflicht im Pflegebereich. Die Gesundheitsämter würden noch bis Mitte August mit der Prüfung der Mitarbeiter mit ungeklärtem Impfstatus benötigen. Erst dann könnten Beschäftigungs- und Betretungsverbote ausgesprochen werden. "Allerdings ist in den Anwendungserlassen auch geregelt, dass die Notwendigkeit der Einrichtung, Personal vorzuhalten, höchste Priorität hat", erklärt er. Insofern gehe er nicht davon aus, dass es zu Beschäftigungsverboten komme. Außerdem, so Stolte, "ist das Gesetz mit der Impfpflicht Ende des Jahres schon wieder passé, nämlich ungültig". Er halte die Verordnung für unsinnig, da damit die Versorgungsstrukturen irritiert und Mitarbeiter mit Misstrauen überzogen würden. Das hätte nach Stoltes Worten vermieden werden können, indem man den Pflegekräften mit Wertschätzung begegnet wäre und sie nicht stigmatisiert hätte.
Der Oberkirchenrat hält nichts von der Wiedereinführung der Wehrpflicht "und schon gar nicht, um damit Zivildienstleistende für die Pflege zu bekommen". Es brauche vielmehr eine Stärkung der Freiwilligendienste, so Stolte. "Es wäre hilfreich, wenn beispielsweise das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) oder der Bundesfreiwilligendienst (BFD) deutlich besser ausgestattet würden. Eine eigene Entscheidung anstatt einer Pflicht beinhaltet meist eine höhere Motivation, sich zu engagieren. Da sehe ich viel Potential."
Die Diakonie Mitteldeutschland ist die Wohlfahrtsorganisation der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und der Evangelischen Landeskirche Anhalts in Thüringen und Sachsen-Anhalt und Teilen Brandenburgs und Sachsens. Mit 32.000 Mitarbeitenden und mehr als 1900 diakonischen Einrichtungen ist die Diakonie Mitteldeutschland einer der größten Arbeitgeber der Region und auch der größte Wohlfahrtsverband in den neuen Bundesländern.