Türöffnerin aus Leidenschaft: Kirchenhüterin Sandra Eggert
Es ist ein sonniger, aber kalter Herbsttag. Sandra Eggert steht vor der Andreaskirche in Hundisburg, holt den Schlüssel aus der Tasche und schließt die hölzerne Kirchentür auf.
„Unsere Kirche wurde 1218 vom Magdeburger Bischof Albrecht dem Ersten geweiht. Also wir haben hier schon seit über 800 Jahren Gottesdienst an ein und derselben Stelle.“ Sie zeigt auf ein Epitaph: „Das stellt die Familie des Ludolf X. von Alvensleben dar. Er hat auch die Reformation hier in Hundisburg eingeführt. Hergestellt hat es Jürgen Röttger in seiner Braunschweiger Werkstatt.“
Sandra Eggert kennt sich gut aus mit der Geschichte der Andreaskirche. Kein Wunder – sie ist ja auch geprüfte Kirchenhüterin! Diesen Lehrgang bietet die EKM gemeinsam mit der Evangelischen Landeskirche Anhalts, dem Bistum Magdeburg sowie dem Bistum Erfurt seit kurzem an, und Sandra Eggert war gleich im ersten Kurs dabei. Gelernt haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den 33 Unterrichtseinheiten viel Kunst- und Kulturhistorisches, zum Beispiel welche Baustile es gibt: „Da hatte ich mich schon im Vorfeld etwas beschäftigt, aber das war bei mir immer so ein bisschen das Stiefkind. Das war für mich eine neue Erkenntnis, auch spirituell gesehen, was man aus bestimmten Plastiken, Schnitzereien mitnehmen kann, wo man auch die Besucher darauf aufmerksam machen kann.“
Aber auch Themen wie „Willkommenskultur“ und „Seelsorgearbeit“ haben eine Rolle gespielt in der kostenlosen Kirchenhüter-Ausbildung: „Eine Kirchenhüterin schließt auf, schließt ab. Sie sorgt auch dafür, wenn Besucher den Kirchenraum betreten, dass sie sich wohlfühlen. Ich biete auch Führungen an, spezielle oder ganz normale, was das Herz so begehrt.“
Sandra Eggert hat auch schon vor der Ausbildung Menschen „ihre Kirche“ geöffnet und sie herumgeführt. „Ich habe mir dann aus Büchern Informationen zusammengesammelt. Aber ich hatte immer so für mich das Gefühl: Mir reicht es noch nicht.“ Zusammen mit 15 anderen ließ sie sich dann offiziell ausbilden zur Kirchenhüterin. Regelmäßig öffnet sie Besuchern die Kirche in ihrem Heimatort, spricht über deren jahrhundertealte Geschichte, zeigt besondere Orte im Kirchenraum. Für Sandra Eggert ein Herzensanliegen: „Es ist die Kirche, wo ich getauft bin, konfirmiert bin, wo meine Vorfahren getauft, konfirmiert, verheiratet wurden und auch die Aussegnung erfahren haben. Ich möchte meine Kirche den Menschen zeigen. Ich möchte auch ein Stück von meinem Glauben den Menschen zeigen. Das ist für mich wichtig, dass wir solch einen Hort der Ruhe für alle öffnen.“
Alle sind willkommen in der Andreaskirche, sagt die Kirchenhüterin, „ganz gleich welcher Religion er angehört oder wie der Mensch überhaupt beschaffen ist. Für jeden ist unsere Tür offen, und jeder der Sorgen und Nöte hat, findet hier auch Ruhe, um seine Sorgen und Nöte auch mal laut auszusprechen.“
Immer wieder kommt Sandra Eggert auch mit Besuchern ins Gespräch. Die einen möchten Danke sagen für einen Gottesdienst oder die Feier der Diamantenen Hochzeit in der Kirche. Andere zögern, ihren Fuß über die Schwelle zu setzen. „Da war einmal jemand, der hatte gerade einen geliebten Menschen viel zu früh verloren. Dann versuche ich zu sagen: Komm rein, nimm Platz und sag das, was dir aufliegt. Auch Trauer muss raus, nicht nur Freude.“
Die Menschen willkommen heißen und ihnen zuhören – ein wichtiger Aspekt bei der Kirchenhüter-Ausbildung. Sandra Eggert zeigt auf das Gästebuch. Wer mag, kann sich hier eintragen. Es gibt eine Tafel für Gebetsanliegen, die dann im darauffolgenden Gottesdienst gebetet werden. Oft brennt eine Kerze. In einem kleinen Kästchen liegen Karten mit Segenssprüchen zum Mitnehmen, in verschiedenen Sprachen. Ein Segensbriefkasten. „Ich habe mich damals auch mit meiner Seminargruppe in der Ausbildung besprochen und habe gesagt, ich möchte den Segen in verschiedenen Sprachen aufschreiben, weil wenn jemand kommt, ist in einem fremden Land, besucht eine Kirche, liest ein Wort in seiner Muttersprache, dann fühlt er sich auch willkommen.“
An Nachmittag, um 17 Uhr, wenn im Herbst das Licht schwindet, holt Sandra Eggert wieder den Schlüssel aus der Tasche und schließt die Holztür der Andreaskirche zu. Bis zum nächsten Morgen.
Derzeit läuft übrigens bereits die zweite Ausbildungsrunde für künftige Kirchenhüter und Kirchenhüterinnen. Mehr Informationen finden Sie hier: https://www.eebt.de/veranstaltungen/kirchenhueter/