06.10.2024
Predigtreihe zum Festjahr „500 Jahre evangelisches Kirchenlied“ Torgau, Schlosskirche, 19. Sonntag nach Trinitatis zu Erntedank Gottesdienst am 06.10.2024 | Landesbischof Friedrich Kramer
Predigt über EG 299 „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir“ und Psalm 130
[Orgel intoniert leise die erste Melodie von EG 299.
Dazu liest der Prediger Psalm 130,1-3]
Hört den Beginn des Predigttextes für die heutigen Predigt über das Psalmlied.
Hört Psalm 130, die Verse 1-3:
„Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir.
Herr, höre meine Stimme!
Lass deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens!
Wenn du, HERR, Sünden anrechnen willst –
Herr, wer wird bestehen?“
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt! Jesus Christus!
Liebe Festgemeinde, liebe Kirmesfestgemeinde,
heute, besser gesagt gestern vor 480 Jahren wurde hier der erste evangelische Kirchbau eingeweiht. Was für ein Fest. Woran erkennt man dies, kann man sich fragen: an der Kanzel? Die gibt es auch in katholischen Kirchen, das ist keine Frage, aber die Motive sind sehr interessant. Aber woran man es deutlich erkennt ist der Altar. Da kann man unten hindurchschauen. Da ist nicht mehr ein geschlossener Raum, wo ein Reliquie darinnenliegt und das Heilige vor Ort verbürgt, durch einen Knochen, einen Finger eines Heiligen oder was noch immer. Da schauen wir durch. Das Heilige steht auf dem Tisch, ist in der Gemeinschaft zu finden, ist in mit und unter uns, den Sakramenten und dem Wort Gottes zu finden. Das ist gut protestantisch. Schön, dass wir heute hier dieses Jubiläum feiern. Und dazu 40 Jahre Partnerschaft mit Bergen up Zoom und es ist schön heute hier im Rahmen von „500 Jahren evangelisches Kirchengesangbuch“ dabei zu sein. Man könnte sagen, dass dieses Jubiläum ein trinitarisches Fest ist, denn es gibt drei: ein Gesangbuch aus Erfurt, das Enchiridion, ein Achtliederbuch aus Nürnberg und dann natürlich das von Johann Walter aus Torgau, das für den Chor das erste evangelische Chorgesangbuch mit 32 neuen Liedern ist.
Das muss gefeiert werden, denn ohne das Singen hätte sich die Reformation nicht so machtvoll verbreitet. Ein Gegner der Reformation, der Jesuit Adam Contzen hat dies 1620 sehr schön gesagt. Also knapp 100 Jahre später sagte er: „Luthers Lieder haben mehr Seelen verdorben als alle seine Schriften und Reden“. Wir würden natürlich gut protestantisch erwidern: „Gerettet!“. Das heißt, wer singt, für den tut sich der Himmel auf. Um so sinnvoller eine Predigtreihe auszurichten hier in Torgau zu diesen wunderbaren Liedern aus diesen ersten Gesangbüchern.
Heute schon Buße getan? Wie stehst Du eigentlich früh auf? Wenn Du in der Spiegel schaust, denkst Du darüber nach ob die Augenbrauen gut gezupft und nachzumalen sind oder denkst Du darüber nach was Du gestern getan hast. Denkst Du über Sünde und Schuld nach oder spielt das gar keine Rolle mehr.
Für Luther ganz klar, seine 95 Thesen erzählen davon: das ganze Leben, jeder Tag, soll Buße sein. Und so haben wir heute eine Bußpsalm zu bedenken. Ein Psalm der von Schuld und Anfechtung spricht und der Dein Sündenbewusstsein wecken will. Nicht dass Du darin geknechtet wirst, sondern dass Du erkennst, es ist Heilung und Rettung zu finden.
Und dieser Psalm, und das ist wunderbar, erzählt etwas von Luthers Leben. Man merkt in vielen seinen Lieder, dass er sowohl seine Lehre, wie auch sein Leben hineingesungen hat. Und genau darum geht es ja, dass wir unser Leben mit dem Evangelium, mit dem Heiligen, verbinden, damit wir Heil erfahren.
Luther war ständig angefochten von der Frage der Sünde und er hatte heftige Anfechtungen zu überwinden. Ja es geht schon damit los, dass er eigentlich nicht das wollte, was seine Eltern wollten, wie wohl er wusste, dass da geschrieben steht: „Du sollst Deine Eltern ehren!“. Das heißt, wenn der Vater sagt: „Du wirst Jurist!“, wird man natürlich auch Jurist. Heute ist das völlig anders. Wir freuen uns wenn die Kinder überhaupt noch mitteilen was sie vorhaben. Aber damals war das klar, der Vater sagt, wo es lang geht. Und Luther spürte die Schuld und dass er eigentlich, um von seinen Sünden loszukommen ein geistliches Leben braucht und kein juristisches. Und Sie alle kennen die Geschichte. Martin schrieb sich folglich im Mai 1505 an der Erfurter Universität für Rechtswissenschaft ein. Er wollte das aber nicht. Es war nicht das, wofür sein Herz schlug. Und als dann auf dem Stotternheimer Feld der Blitz einschlug, kurz vor Erfurt, fürchtete er zwar um sein Leben, nahm es aber auch als innere Befreiung und gelobte „Hilf, St. Anna, ich will ein Mönch werden“. Zwei Dinge, gegen die der Vater nichts mehr machen kann. Ein Gelübde zu St. Anna, der Heiligen der Bergleute und damit auch seines Vaters, gilt. Und was er gelobt hat, muss er auch tun. In einer neueren Biographie habe ich gelesen, dass der Vater auch schon Hochzeitspläne für Martin Luther hatte. Könnte sein, dass der Blitzeinschlag ihn auch davor bewahrt hat. Er wusste, dass ihn dieses Gelöbnis in einen tiefen Konflikt mit seinem Vater stürzen würde. Jedenfalls wird er Mönch und kommt in einem Leben an, das er sich gewünscht hatte. Mönch hatte er werden wollen, und Mönch wurde er nun. Alles hatte genau so sein sollen: „Ich bin vom Himmel durch Schrecken gerufen worden.“ So erinnert er sich Jahre später. Aus tiefer Not hatte er gerufen. Und Gott hatte geholfen.
Luther geht in das Augustiner-Eremiten Kloster in Erfurt. Er will die ganz harte Nummer, nichts Leichtes, nichts Sanftes, denn wenn es um Sünden geht, muss man sich selber auch hart anpacken. Klosterzeit. Angekommen war er und doch verlassen. Er war richtig im Kloster und doch angefochten bis ins Mark. Auch davon erzählt Luther später immer wieder: wie er als Mönch „je länger, je verzagter wurde“. Wie es niemals reichte, was er tat. Wie er sich niemals sicher und glücklich fühlte, obwohl er genau Sicherheit suchte: Sicherheit vor dem zornigen Gott; Sicherheit vor der Hölle; Sicherheit vor dem Tod. Immer wieder erkannte er: es reicht nicht. All das Beten, all das Fasten, all das Almosengeben – es reicht nicht. Das Wallfahren, das Beten, das Fasten, das Beichten – reicht nicht. Das Almosengeben, das Beten die Nächte hindurch, das Beichten, die Selbstzerknirschung – es reichte einfach nicht. Die Angst blieb. Die Angst blieb und er fühlte sich angefochten und verloren. Was tat er in solchen Momenten?
Er tat, was er immer tat, wenn er „in höchsten Nöten“ war und griff zu den Bußpsalmen, derer wir sieben im Psalter haben und der sechste ist Psalm 130. Und in der höchsten Not sang er ihn auch im Kloster. In diesem sechsten der sieben Bußpsalmen fand er aber auch das, was er fühlte und durchlebte. Hier wurden seine Fragen mit gestellt: Wer wird bestehen? Wer kann bestehen, wenn Du Sünden anrechnest? Was trägt, wenn der Boden unter deinen Füßen aufgeht?
Lasst uns die erste Strophe von EG 299 „Aus tiefer Not“ singen.
[EG 299, Strophe 1 als Gemeindegesang.
Danach: Orgel intoniert leise die Melodie weiter.
In den Klangteppich liest der Prediger Psalm 130,4-6:]
Hört die nächsten drei Verse aus Psalm 130:
„Denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.
Ich harre des HERRN, meine Seele harret, und ich hoffe auf sein Wort.
Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen;
mehr als die Wächter auf den Morgen hoffe Israel auf den HERRN!“
Liebe Geschwister, so hat Martin Luther viele Nächte durchwacht. Er hat gewartet auf den Herrn, sein ganzes Leben in dieser Zeit als Mönch fast eine einzige Nachtwache.
Und in diesem Psalm heißt es: „Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen“. Sie kennen die Sehnsucht des Wächters auf den Morgen. Sie taucht ganz oft auf in unserer heiligen Schrift. Despektierlich könnte man sagen, das ist einfach die Lust aufs Dienstende. Aber es geht hier um mehr. Es geht darum, dass nach der Nacht der Tag anbricht. Wie kann es nach der Nacht der Sünden Tag werden?
Martin Luther wartete so sehr auf den Herrn. Und dann erlebte er etwas, was ihm Herz und Gemüt befreite. Er verstand nicht nur dem Buchstaben nach, sondern ganz und gar – mit Gefühl und Verstand –, was hier in diesem Psalm überliefert ist: dass Gott in der Vergebung zu finden ist und nicht in richtender und strafender Gerechtigkeit, der ich versuche zu genügen. Denn von Gott geht die Gnade aus, die wir durch nichts anderes als durch Glauben erreichen können. Sola fide wird man später sagen: Allein durch Glauben. Auf einmal hatte er es mit seinem Herzen verstanden: wir können noch so sehr der Gerechtigkeit nachjagen mit gerechten Taten und einem tadellosen Leben – es wird umsonst sein. Solange wir nicht die Hand öffnen vor Gott, kann er nichts hineinlegen. Solange wir nicht die Hand öffnen, können wir nicht die Hand ergreifen, die Gott schon lange offenhält für uns. Wir müssen den bitten, der mit Liebe antworten, mit „Gnad und Gunst“ vergeben will.
Sein Erlebnis wird oft als Turmerlebnis beschrieben. Manche sagen, der Turm im Augustinerkloster in Wittenberg die Toilette. Also es kann einen an ganz verschiedenen Orten erreichen, das einem plötzlich klar wird, worum es geht. Luther wird jedenfalls plötzlich klar, allein Christus, allein die Gnade.
Das wollte, das musste Luther weitersagen. Und er sagte, alle Buße ist wichtig und nötig, das ganze Leben soll Buße sein, aber ich kann es nicht von anderen abkaufen, ich kann es nicht von anderen nehmen, nicht aus dem Schatz der Heiligen kaufen, nein Du musst selber Buße tun und selber Dich befreien lassen durch Christus.
Und so hat er, als 36-jähriger Theologieprofessor in Wittenberg, mit brennendem Herzen aufgeschrieben, was ihn umtrieb. In 95 Thesen, die er an die Tür der Schlosskirche heftete, wie damals üblich war, als akademischer Akt. Steile Thesen mit einer Sprengkraft, die mehr als das kleine Wittenberg erschütterten. Die Welt wackelte. Luther aber wurde ruhig, er wusste sich in grenzenloser Liebe gehalten. So konnte er standhaft bleiben, in Augsburg vor Cajetan, in Worms, wo sein Leben bedroht war und dieses Widerstehen hat ihn weltberühmt gemacht. Und es war ja nicht so, dass er nicht mehr zweifelte. Immer wieder zweifelte er, an sich, seinen Entscheidungen, seiner ganzen Existenz. Dann öffnete er seine Hand vor Gott und betete, dass er hineinlegen möge: Gnade, Mut, Vergebung und Trost. So wie er es gedichtet hat in den Strophen zwei und drei, die wir jetzt singen. Aber eine kleine ökumenische Anmerkung sei mir noch erlaubt. Hier entfaltet Luther seine Rechtfertigungslehre und im Gotteslob, dem katholischen Gesangbuch fehlt die zweite Strophe. Sie haben das Lied aufgenommen, aber die zweite Strophe war dann doch zu lutherisch. Lasst uns diese Strophen nun singen.:
[EG 299, Strophe 2-3 als Gemeindegesang.
Danach: Orgel intoniert leise die Melodie weiter.
In den Klangteppich liest der Prediger Psalm 130,7-8]
Hört die letzten beiden Verse aus Psalm 130:
„Hoffe Israel auf den Herrn!
Denn bei dem HERRN ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm.
Und er wird Israel erlösen aus allen seinen Sünden.“
Zum Jahreswechsel 1523/1524 dichtete Luther das Lied „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“, das wir gerade singen. Er hat, den von ihm so geliebten Psalm 130 in ein Lied umgedichtet. Er wusste, wovon er sprach. Er kannte die tiefe Not, die uns allein auf das Gebet zurückwirft. Und er hatte erfahren, wie Gott aus tiefer Not befreit. Er wusste, wie es ist, mit Gott Nächte durchzukämpfen. Und es gibt eine berühmte Geschichte von Jakob am Jabbok, wo Jakob auch eine Anfechtungsnacht durchsteht. Ein Engel oder eine Gestalt, die nicht näher beschrieben ist, kommt und greift ihn an. Er ringt die ganze Nacht und lässt nicht los, bis er gesegnet wird. Und da bekommt Jakob den Namen Israel: der mit Gott streitet. Und diesem alttestamentlichen Jakob fühlte Luther sich verbunden. Er war auch ein Israel, ein aus dem Geist Gottes geborener Israel, ein Israel, wie er in der Strophe dichtet: „der aus dem Geist geboren ward“. Der mit Gott kämpfte und rang, und der gewann. „Ob bei uns ist der Sünden viel, bei Gott ist vielmehr Gnade. Sein Hang zu helfen hat kein Ziel, wie groß auch sei der Schade. Er ist allein der gute Hirt, der Israel erlösen wird aus seinen Sünden allen.“ So werden wir es gleich singen.
Doch wenn ich mit dem Vers aus dem Psalm oder mit dem Vers dieser Liedstrophe hier raus ginge jetzt auf das Stadtfest und fragen würde: Sünden Israels, was fällt Euch ein? Dann wären wir schlagartig bei den fürchterlichen Bildern, die wir täglich sehen. Und ich weiß nicht, wie viele sagen würden: „ja vor einem Jahr am 7. Oktober da war ein schrecklicher Anschlag, ein Pogrom, so schlimm, wie seit dem Holocaust nicht mehr, dass Juden hundertfach ja 1200 Menschen einfach nur weil sie Juden waren ermordet wurden. Und was dann kam: ein schlimmer und brutaler Krieg mit Tausenden von Toten in Gaza und jetzt auch im Libanon. Wo führt das hin fragen wir in unserer Hilflosigkeit Und heute noch um die 100 Geiseln irgendwo in irgendwelchen Kellern, Kinder dabei. Wir können es uns nicht vorstellen. Aber wir sollen für die Befreiung und die Freiheit dieser Geiseln beten. Wir sollen beten für alle Opfer dieses Krieges und für das Ende der Kämpfe. Beten dafür, dass Gott aus den Sünden erlöst.
Die Sünden Israels – und wenn wir an Luther denken: die Sünden an Israel. Er selber ist hier völlig vom guten Weg des Evangeliums abgekommen. Er hat hässliche und unlesbare antijüdische Schriften geschrieben, die an Ekelhaftigkeit kaum zu überbieten sind und die mit dem Evangelium, dass er entdeckt hat, nichts zu tun haben. Ja, er ist abgewichen und hat sich den Sünden, den Sünden der Lüge, der Boshaftigkeit ergeben, mit verheerenden Folgen.
Und es ist schon merkwürdig, dass uns der Krieg in Israel weltweit beschäftigt und den Judenhass aufflammen lässt. Keine 2600 km weiter im Jemen findet ein was die Opferanzahl betrifft brutalerer Krieg statt, mit hunderttausenden Toten. Interessiert es jemanden? Im Kongo, im Sudan – interessierts wen? Warum geht die Welt so auf Israel? Was ist das? Sind das diese Tiefen Wurzeln des Judenhasses, die das erwählte Volk immer treffen, zu allen Zeiten?
Israel wird er erlösen, aus seinen Sünden. In dem Psalm ist nicht der Staat Israel, nicht das Volk Israel gemeint, sondern bist Du gemeint. Du bist gemeint als ein Israel „rechter Art, der aus dem Geist erzeuget ward“, als einer der mit Gott ringt und streitet. Und der aus seinen Sünden befreit wird, wenn er sich für dieses Sündhaftigkeit öffnet.
Judenhass ist Sünde. Das heißt nicht, dass wir nicht verfehlte Politik kritisieren dürfen. Aber kein Jude in unserem Land ist verantwortlich zu machen, für die Politik des Staates Israels. Und doch erzählen unsere jüdischen Geschwister, dass sich im letzten Jahr viel verändert hat. Dass sie nicht mehr sicher leben. Dass viele Menschen abrücken und dass ihnen ein Hass begegnet, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das dürfen wir Christen nicht dulden und müssen gegen Martin Luthers Judenhass und für unsere jüdischen Geschwister einstehen.
Mit Gott kämpfen und ringen im Gebet um Frieden. Hoffen, dass er Segen bringt. Luther schrieb an seinen guten Freund Georg Spalatin als er ihm das Lied schickte, er wolle dass „das Wort Gottes auch gesungen unter den Leuten bleibe“. Dass entsprach ganz seinem reformatorischen Programm. Die befreiende Botschaft von der Gnade Gottes muss uns über Ohren und Münder in die Herzen gelegt werden, weil wir sonst nicht glauben können, dass bei Gott immer, immer „viel mehr Gnade ist als Sünde bei uns“. Luther konnte das manchmal selbst nicht glauben. Er blieb lebenslang ein Angefochtener. Immer wieder fiel er in schwere Bedrängnis. Immer wieder musste er erleben, dass die Gnade nicht einfach festzuhalten ist. Sie will täglich neu errungen sein.
Wir stellen uns heute an die Seite Israels, wir stellen uns heute an die Seite des Israel Luther, wir stellen uns heute singend an die Seite Luthers. Mit allen, die mit Gott ringen. Wir empfinden singend nach, wie es ist, in die Tiefe zu fallen. Gleich beim zweiten Ton hat Martin Luther selbst eine Melodie komponiert, die zu den wenigen gehört, die immer noch gesungen werden. Es sind über 20 Lutherlieder in unserem Gesangbuch aus den ersten protestantischen Gesangbüchern. Und es werden genau drei regelmäßig gesungen. Aus tiefer Not gehört dazu. Diese hinuntergehende Quinte, wo man ganz nach unten fällt und dann sich hocharbeitet zum D zum Deus für Gott. Wir fallen in die Tiefe unserer durchkämpften Nächte, unserer unruhigen Tage, die wir haben. In dieser Tiefe können wir finden, was Luther fand. Unser nacktes Selbst. Erschütternde Konflikte. Orientierungslosigkeit. Wir tappen inm Dunkeln und doch findet unseren Schmerz über verpasste Chancen und unsere Sehnsucht nach Erfüllung, ja sie findet ein Wort. Sie findet einen Weg.
Aus dieser Tiefe rufen wir. Mit Luther, mit Jakob, mit Israel und allen, die mit Gott streiten. Wir bitten, dass Gott unser Rufen hört. Dass er unser Herz ruhig und unsere Knie fest macht. Dass er uns Mut gibt und Trost ums Herz legt. So stellen wir uns ihnen an die Seite: den Angefochtenen. Denen, die auf Heilung und Frieden hoffen, und denen, die in den Krisen ihres Lebens zu zerbrechen scheinen, die an Gewalt leiden. Und nur noch die Hand öffnen können: bittend, vertrauend, wartend. Gott wird seine Gnade hineinlegen.
„Und ob es währt bis in die Nacht und wieder an den Morgen,
so soll mein Herz an Gottes Macht verzweifeln nicht noch sorgen.
So tu Israel rechter Art, der aus dem Geist erzeuget ward,
und seines Gotts erharre."
AMEN
Lasst uns dies singen, die Strophen 4 und 5.
[EG 299, Strophe als Gemeindegesang]
Und der Friede Gottes, der höher ist, denn alle Vernunft
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus!
AMEN
Kanzelsegen