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06.08.2022
An den Früchten sollt ihr sie erkennen

Einer der markanten Sprüche des alten Hausmeisters in unserer Volksschule war „An den Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Meist grummelte er diesen kurzen Satz, wenn ich vor seinem Pförtnerhäuschen einen Zeitungsausschnitt auf die Pioniertafel anbringen musste, wo im „Neuen Weg“ von den neuesten Ernterekorden der ausgezeichneten Kolchosen berichtet wurde. Das diese Meldungen nicht stimmten, sahen wir alle, wenn wir zur Schule fuhren, denn viele Kombinen standen kaputt am Feldrand, und die Mechaniker versuchten mit ölverschmierten Händen sie wieder in Gang zu bringen. Und wenn dann endlich eine Kombine wieder drosch, rieselte der geerntete Weizen kilometerweit am Straßenrand entlang, weil die Anhänger der Traktoren undicht waren. Darüber freuten sich die Vögel und manchmal auch wir Menschen. An diesen alten Herrn, an dessen Name ich mich nicht mehr erinnere, musste ich denken, als ich hörte, dass die mit Weizen und Mais beladenen Schiffe die ukrainischen Häfen sicher verlassen dürften, um das Getreide zu den Hungernden nach Afrika zu bringen. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen und nicht an ihren Worten, das gilt für die skrupellosen Kriegsmänner im Moskauer Kreml, aber auch in meiner kleinen Welt und auch für mich. Denn hehre Versprechen entlarven sich selbst als Lügen, wenn Worten keine Taten folgen.

Einen erholsamen Sonnabend wünscht Johann Schneider evangelischer Regionalbischof aus Halle


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