24.09.2024
Bausoldaten
Ich war 19, als ich zur Nationalen Volksarmee eingezogen wurde. Allerdings nicht als normaler Soldat, ich war Bausoldat.
Auf den Schulterstücken gab es einen kleinen grauen Spaten. Und die Grundausbildung dauerte nicht länger als zehn Tage. In Platkow übten wir damals, 1978, wie man marschiert und wie man sich verhalten muss, wenn Atombomben abgeworfen werden. Ich erinnere mich noch an den Unteroffizier. „Atomschlag von links!“ rief er. Dann mussten wir uns nach rechts fallen lassen. Explodierte die Atombombe rechts von uns, ließen wir uns nach links fallen.
Schließlich landete ich mit vier anderen Bausoldaten in Prora. Hier mussten wir in einer Wärmeverteilstation die Kaserne beheizen. Blocks, die schon in der Nazizeit errichtet wurden und die nun nahtlos durch die NVA genutzt wurden.
Dass es in der DDR überhaupt Bausoldaten gegeben hat, war schon ein Zugeständnis der Herrschenden. 1964 wurden die ersten eingezogen, vor 60 Jahren. Es waren Christen, Pazifisten. Menschen, die sich weigerten, in Schwarz-Weiß-Kategorien zu denken.
„Frieden schaffen ohne Waffen!“ Das wollten wir damals. Viele waren bereit, dafür ihre berufliche Zukunft aufs Spiel zu setzen. Den Geist der Gewaltlosigkeit, die Jesus gelebt hat, den wollten wir hineintragen in die Gesellschaft.
Bis heute bete ich darum, dass dieser Geist lebendig bleibt.
Hans-Jürgen Kant von der Evangelischen Kirche in Halle.