12.10.2024
Charme des Sonnabends
Als Kind war ich in den großen Ferien oft bei einer Schulfreundin meiner Mutter in einem Pfarrhaus in der Nähe von Weißenfels. Das erste Mal, als ich von Erfurt aus allein mit der Eisenbahn fahren durfte, war in den großen Ferien vor meiner Schuleinführung. Ich konnte noch nicht lesen und meine Mutter hatte mir eingeschärft: An dem Bahnhof mit den blauen Kacheln musst du aussteigen. Ich stieg aus und wurde von Tante Elisabeth fröhlich begrüßt. Ich war so stolz, dass ich das geschafft hatte. Und so erlebte ich gemeinsam mit ihren Jungs eine herrliche Ferienwoche in der großen Freiheit der Dorfkinder. Dann kam der Sonnabend, da halfen wir alle mit, je nach Können und Alter beim Backen und Putzen, beim Saubermachen. Alles hatte einen Zielpunkt: das Abendläuten um 18:00 Uhr, da musste alles fertig sein. Und zum Ende wurde der große Kirchplatz gefegt. Der Platz war für mich als kleines Mädchen riesig, aber er war wirklich sauber, von Laub und Lindenblüten befreit und selbst ihre Söhne, die ganz lustige Lausbuben sein konnten, machten da mit. Und als alles fertig war, setzte sich Tante Elisabeth auf die Bank vor der Kirche, wartete auf den Beginn des Läutens um 18:00 Uhr und sagte dann: „Jetzt fängt der Sonntag für mich an.“ Es lag eine herrliche Gelassenheit auf dem Platz und in den Worten der Tante. Diesen Charme hat das Abendläuten am Samstag 18:00 Uhr für mich nie mehr verloren. Das ist schön. Vielleicht läuten auch bei ihnen heute 18:00 Uhr die Glocken den Sonntag ein.
meint
Pfarrerin Renate Höppner aus Magdeburg