11.10.2024
Das 4. Gebot
Es ist wieder Freitagmorgen. Der kleine Wochenendkoffer ist gepackt. Sie sitzt am Frühstückstisch mit ihrem Mann und den drei Schulkindern. Sie muss als erste gehen, ihre Patienten warten. Sie wünscht den Kindern und ihrem Mann ein schönes Wochenende und fährt zur Praxis. Am Mittag wird sie in den Zug steigen, wie fast jedes Wochenende und in die 300 km entfernte Stadt fahren. Ihre schwer kranke Mutter im Pflegeheim besuchen zweimal am Tag: Ob sie sie wohl erkennt? Einerseits wünscht sie es sich, andererseits hat sie Angst davor, denn dann beschimpft sie ihre einzige Tochter, dass sie sie abgeschoben hätte. Den Vater, noch gut allein im viel zu großen Haus, tröstet sie abends und sie überlegen gemeinsam, wie es weitergehen kann. Ihre Familie ist fest verwurzelt 300 km entfernt, der Vater hat nie woanders gewohnt als hier in diesem Haus. „Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass es dir`s wohl ergehe und du lange lebest auf Erden“.
Über dieses Gebot denkt sie viel nach auf den langen Zugfahrten am Wochenende.
Sie liebt ihre Eltern sehr, viel verdankt sie ihnen und immer hatten sie ein gutes Verhältnis; aber sie weiß, auch ihre Kraft ist begrenzt. Sie vermisst die unbeschwerten Familienwochenenden mit den Kindern. Die lieben ihre Großeltern und haben viel Verständnis, aber sind jetzt immer traurig, wenn Freitagmorgen ist, wieder ein Wochenende ohne die Mutter. Sie wünscht sich sehr, dass die Kraft auf allen Seiten reicht, bis eine gute Lösung für alle gefunden ist. Ja, dieses Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“ dafür braucht es manchmal im Leben richtig viel Kraft.
Die wünscht allen
Pfarrerin Renate Höppner aus Magdeburg