28.10.2024
Die Bibel - ein sehr gefährliches Buch?!
Ich habe mit meinem Schulfreund Hermann, wenn wir im Pfarrhaus warten mussten, gern in einer Kinderbibel geblättert. Die lag auf einem großen Holztisch im Vorraum – meist mit dem mahnenden Blick der „Frau Mutter“, die prüfte, ob unsere Finger auch sauber waren – fasziniert haben mich die Bilder mit den Männern mit langen Haaren und Tiere wie Löwen und Wale– ich hatte mir eine Bibel gewünscht – aber das war ja aussichtslos, denn von wo hätten meine Eltern eine besorgen sollen? Im kommunistischen Rumänien war der wissenschaftliche Atheismus Staatsideologie und es gab es keine Bibeln – außer im Pfarrhaus – quasi als Werkzeug für den Pfarrer. Noch heute erzählen mir ältere Menschen bei Besuchen begeistert davon, wie sie bei Urlaubsfahrten ans Schwarze Meer Bibeln, im Trabi versteckt, einschmuggelten – und auf die Frage der rumänischen Zöllner „Biblia?“ so taten, als ob sie überhaupt nichts verstanden. Durch das Verbot wurde die Bibel ein sehr begehrtes Buch – und das Lesen in der Bibel ein spannend gefährliches Abenteuer und ein Zeichen von persönlicher Freiheit. Letztlich hat das Bibelverbot im kommunistischen Rumänien genau das Gegenteil bewirkt . – Anders als in der DDR, wo Bibeln frei erhältlich waren und sich wenig Bürger dafür interessierten. Gott sei Dank haben wir Religionsfreiheit und jeder kann frei und ohne Angst in der Bibel lesen - aber genauso auch im Koran. Und ich bewundere den Mut von Christen, die Bibeln nach Nordkorea, nach Afghanistan und in den Iran schmuggeln – wo sie bis heute verboten sind.
Johann Schneider, evangelischer Regionalbischof aus Halle