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24.11.2024
Ewigkeitssonntag

Es sind ihre Augen.
Freundliche braune Augen im Gesicht einer alten Frau.

Als ich sie kennenlerne, bin ich ein junger Pfarrer, und sie feiert ihren 85. Geburtstag.
Bei Kaffee und Kuchen erzählt sie aus ihrem Leben als Lehrerin in einer Gewerbeschule.
Einzelne Schüler und Schülerinnen sind ihr noch deutlich vor Augen;"vor allem die Schwierigen",
sagt sie und lächelt dabei versonnen.

Und dann füllen sich ihre braunen Augen mit Tränen.
"Entschuldigen Sie", sagt sie."im Alter wird es wieder schlimmer".
Sie erzählt von ihrem Mann. Wie sie sofort schwanger wurde nach der Kriegstrauung.

Sie erzählt, wie er noch einmal wenige Tage Fronturlaub bekam; vor der Geburt.
Dann ein letztes Winken auf dem Bahnhof am Zug an die Ostfront.
Und dann keine Nachricht mehr.

Alle Versuche, das Schicksal ihres Mannes zu klären, scheitern;
auch nach Ende des Krieges.
Sie erzieht ihren Sohn allein; lässt irgendwann ihren Mann für tot erklären,
bezieht eine schmale Rente.

"Wissen Sie", sagt sie zu mir und wischt sich ein wenig peinlich berührt über die Augen,
"am schlimmsten ist es, kein Grab zu haben, an dem ich trauern kann, aber - sie zögert -
bald werde ich ihn wiedersehen, nicht wahr Herr Pfarrer?"

Ich sehe in ihre freundlichen braunen Augen.
"Das werden Sie", sagte ich.
So glaube ich als Christ zutiefst.
Wochen später tragen wir sie in dieser Gewissheit zu Grabe.

Getröstet grüßt aus Dessau
Joachim Liebig


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