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26.09.2024
Gehalten

Gegen Morgen kommen die Träume. Was längst vergangen ist, taucht auf. Ich stehe in Röcken vor dem alten Pfarrhaus. Wie bin ich dort hingekommen? Nietzsches Grab lehnt sich an die Südwand der alten Dorfkirche.

Dann sehe ich meinen Freund Christian. Im Konvikt in Leipzig damals. Wo wir als Studenten wohnten. Ich höre Streicherklänge, symphonische Musik, die sich steigert. Jean Sibelius. Tilman Steckel sitzt rauchend in seinem Zimmer und dreht die Schallplatte immer wieder um. Auf einmal erschrecke ich: Du hast ja dein Examen noch gar nicht geschafft. Fang endlich an damit! Wenigstens mit Kirchengeschichte. Da sind ja nur ein paar Zahlen zu lernen, ein paar Fakten. Und fertig ist es. Aber dann habe ich die Bücher irgendwo verlegt. Wo nur kann ich sie finden?

Gegen Morgen kommen die Träume. Eine andere Schicht des Bewusstseins wird wach mitten im Schlaf. Erinnerungen, Bilder, die zu meinem Leben gehören. Die im geschäftigen Alltag meist zugedeckt werden, wenn ich mit nüchternen Zahlen, Konzeptionen und Ausschreibungen hantiere.

Vergessenes spült sich aus der Dunkelheit ans Licht. Auf einmal ist da Angst, verloren zu gehen. Unterwegs auf den Flügeln der Morgenröte bis in die fernsten Fernen.

Doch ich vertraue darauf: Ich werde gut landen. Selbst dort, wo alles durcheinandergeht, wo mein Leben durchgewirbelt wird: Gott ist da. Er hält mich. Wohin es mich auch trägt.

Hans-Jürgen Kant, Superintendent in Halle.


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