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21.07.2024
Glauben und Singen

Wenn ich am Sonntag nicht zum Gottesdienst gehe, dann fehlt mir etwas. Es fühlt sich dann so an, als ob die Arbeit kein Ende mehr nimmt – und meiner Seele die Nahrung fehlt. Das geht vielen Zeitgenossen anders – das weiß ich. Ihnen fehlt nichts, auch weil sie es in ihren Familien nicht anders erlebt haben. In den Gottesdiensten am Sonntag und an Werktagen haben mich seit Kindertagen weniger die Predigten als die Lieder berührt. Bis heute singe ich gerne – nicht nur in der Kirche.

Singen in der Öffentlichkeit ist insgesamt nicht mehr so üblich. Es ist ein schwacher Trost, dass auch in anderen Gruppen kaum noch gesungen wird. Sogar am ersten 1. Mai höre ich meist nur Instrumentalmusik und Trillerpfeifen.

Für mich war Singen im Gottesdienst und im Jugendchor auch eine sanfte Rebellion gegen den totalitären Anspruch im rumänischen Kommunismus. Natürlich musste ich in der Schule auch all die schwulstigen Worthülsen und patriotischen Hymnen auswendig singen. Bis heute fallen mir manchmal sogar nachts davon Wortfetzen und Melodien ein. Aber zufrieden und froh machen mich die alten und die neuen Lieder – weil sie meinen Geist erfreuen und mich auch in schweren Stunden trösten. So wie kürzlich bei einer Beerdigung. Wir mussten einen jungen Kollegen in Wittenberg zu Grabe tragen. Wir haben von Gott gesungen: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, das sie dich behüten“. So wurde es leichter.

Johann Schneider, evangelischer Regionalbischof aus Halle


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