01.08.2024
Liebesschlösser
Genau vor zehn Jahren müssen sie das Schloss hier an die Brücke gehängt haben. „Andy & Nadine. Love“ steht darauf. Und: “1. August 2014.” Ob sie noch zusammen sind nach zehn Jahren? Vielleicht sind sie mittlerweile verheiratet. Oder schon geschieden? Was auch immer sie jetzt tun, vielleicht erinnern sie sich beim Vorbeigehen, dass hier irgendwo ihr Schloss am Brückengeländer hängt: „Andy & Nadine. Love“.
Ich stehe auf der Brücke und bewundere die Poesie auf den Schlössern: Herzen und Unendlichkeitszeichen, schnörkelige Initialen und alle Namen des Regenbogens. Und ich staune, wie der Stahl das Gewicht der Schlösser trägt. Das müssen doch Tonnen sein. Seit Jahren.
Neben mir fragt ein Kind seine Mutter: „Mama, was haben die hier angeschlossen?“ „Das sind Liebesschlösser“, antwortet Mama. „Menschen haben die hier aufgehängt. Sie wünschen sich, dass sie für immer verliebt bleiben. Wenn du hier nachts vorbeigehst, kannst du die vielen Wünsche flüstern hören, wie sie versuchen, wahr zu werden.“ „Lass uns auch ein Schloss aufhängen“, sagt das Kind. „Wofür?“ „Für dich und mich. Ich wünsche mir, dass du mich immer liebhast, auch wenn das Baby aus dir rauskommt.“
Ach, Mensch, Liebesschwüre, der Wunsch nach Beziehungen, die halten, Kinderliebe und Erwachsenensorgen – was hier alles zusammenkommt auf dieser Brücke mit den vielen, vielen Schlössern.
Gott, du weißt, wonach wir uns sehnen. Und du weißt: Am Ende führt alles Sehnen zu dir. Hab‘ ein Auge auf uns und auf unser unruhiges Herz, auf Andy und Nadine, auf Mama und Tochter. Amen.
Conrad Krannich aus Halle.