03.12.2024
Tag der Menschen mit Behinderung
Raúl Krauthausen ist Berliner mit Leib und Seele. Und er engagiert sich für Barrierefreiheit. Raúl lebt mit Osteogenesis imperfecta, besser bekannt als Glasknochenkrankheit. In den sozialen Medien schreibt er „Ich habe im Laufe meines Lebens eine Hassliebe zu meiner Behinderung entwickelt.“ Und er sagt auch, warum.
Er habe sich schuldig gefühlt für das, was seine Familie machen muss, um ihm zu helfen. Er habe sich schuldig gefühlt, wenn sich in der Klasse die anderen langweilen, weil die Lehrer ihn unterstützten.
Heute sagt Raúl: „Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, ‚behindert‘ zu sein. Für manche ist es eine Identität. Für mich war es anfangs eine Schande. Für viele von uns ist es beides – und eine Entwicklung.“
Mich macht das fertig. Wir leben in einer Welt, in der sich Menschen schuldig dafür fühlen, dass sie so sind, wie Gott sie schuf. Das darf doch nicht wahr sein!
Ich frage mich: Was macht einen anderen eigentlich zu einem Menschen mit Behinderung? Ist es die Wahrnehmung der eigenen Grenzen? Ist es die Tatsache, dass es keinen Aufzug gibt und nicht mal eine Rampe? Oder der Umstand, dass das bis jetzt auch niemanden gestört hat, weil die „Norm” laufen kann? Wer setzt eigentlich die Norm? Und wie sehr stütze ich diese toxische Norm, ohne es zu wollen, indem ich immer schon voraussetze, was Menschen alles können und was nicht?
Ich frage mich: Wie würde es mir an Raúl Krauthausens statt gehen? Tu ich für andere, was ich für mich selbst beanspruche? Jesus hatte doch gesagt: „Alles, was ihr wollt, das euch Leute tun sollen, das tut auch ihnen.“ (Mt 7,12)
Vielleicht ist der Himmel nicht da, wo Blinde sehen und wo Lahme gehen. Sondern da, wo Unterschiede bestehen, ohne einen Unterschied zu machen. Und warum sollte dieser Himmel nicht schon auf Erden beginnen?
Conrad Krannich aus Halle