02.05.2024
Verschieden normal
Daniel hat autistische Züge. Bei Lisa wurde ADHS festgestellt. Martina hat immer wieder depressive Phasen. Und Karl hat irgendeine Form von Neurodivergenz.
Alle vier wissen, dass ihre Abweichung von einer angeblichen Norm für die Mitmenschen manchmal herausfordernd ist.
Ich frage sie, ob ich etwas besonders beachten sollte?
„Stopp!“ sagt Karl, „Wir sind nicht krank. Unsere Gehirne ticken halt nur etwas anders.“
Und Daniel lacht: „Das wirst du dann schon merken!“ Na prima.
Daniel ist ein großer Handballfan. Er weiß genau, wer wann wo gegen wen gewonnen hat. Lisa hat ständig neue coole Ideen im Kopf und schafft es, andere zu begeistern. Martina hat eine tolle Stimme, sie singt Solo im Gospelchor. Und Karl ist ein großer Fahrradfreak. Er bestellt alle Teile im Internet und baut komplette Räder selbst zusammen.
Schnell begreife ich, das sind vier völlig verschiedene Menschen und nicht vier Diagnosen. Ihre Herausforderungen sind Teil ihrer Persönlichkeit. Das macht sie einzigartig und liebenswert, überraschend und vielleicht auch mal schräg. Sie haben Sichtweisen, die andere nicht haben.
Ich frage sie, was sie sich wünschen.
Lisa antwortet: „Die Welt sollte nicht erwarten, dass alle Menschen gleich ticken, und alles andere unnormal ist.“
Daniel ergänzt gleich: „Die Leute sollen nicht auf meine Besonderheiten zeigen wie auf Symptome. Sie könnten stattdessen neugierig sein auf das, was ich kann.
„Ja,“ meint Martina, „mich einfach mal machen lassen!“
„Und ich möchte nicht immer als schwieriger Typ bezeichnet werden.“ sagt Karl.
„Ok.“ sage ich. „Und was wünscht ihr euch noch?“
„Na, dass Deutschland bei der EM gewinnt!“ Und da sind wir alle uns sofort einig.
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg
