11.09.2017
Wahl-Augen
„Ich seh’ dir in die Augen, Kleines“, sagt Humphrey Bogart zu Ingrid Bergman in der berühmten Filmszene in Casablanca. In diesen Moment dreht sich alles nur noch um die beiden. Sie haben nur Augen füreinander. Ein unwiderstehlicher Moment.
„Ich seh’ dir in die Augen!“ Dieser Satz aus dem Film von 1942 ist Kult geworden.
„Ich will es genau wissen. Ich will sehen, ob ich dir vertrauen kann. Ich will mich nicht täuschen lassen. Ich seh’ dir in die Augen!“
Es sind auch zwei große Augen, die mich ansehen. Aber ich bin nicht in Nordafrika, in Casablanca. Ich stehe in Magdeburg an einer Ampel. Und mich schauen zwei Augen von einem schmalen Aufkleber an. Irgendjemand hat ihn hier direkt in Augenhöhe auf die Säule der Ampel geklebt.
Außer den Augen sind nur der Nasenansatz und die Augenbrauen zu sehen. Darunter ein Spruch: „Inhalte statt Parolen!“ Junge Christen haben sie angeklebt, evangelische Jugendliche. Lauter Augenpaare auf kleinen Aufklebern, die mich fragend angucken.
Denn an vielen Laternen hängen jetzt die Parolen der Parteien.
Die Augenpaare fragen: „Achtest du nur auf diese Parolen und Gesichter, oder schaust du auch dahinter? Ins Kleingedruckte? Hörst du was sie reden? Siehst du, was sie tun?
Weißt du, wofür die Kandidaten stehen?
Für Freiheit oder Ausgrenzung?
Für Anstand oder Spott?
Für Respekt oder Rassismus?
Ja, ich werde ihnen tief in die Augen sehen, bevor ich irgendwo mein Kreuz mache. Ich werde nach den Inhalten schauen, hinter den Parolen. Ich seh’ dir in die Augen, Kandidat!
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg