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24.07.2018
Was ist wertvoll?

Ich hätte es ja gar nicht bemerkt. Wenn nicht der Mann im parkenden Auto hinter mir mit zornesrotem Gesicht so gebrüllt hätte. Ich muss sein Auto beim Einparken berührt haben.

Und tatsächlich findet sich eine kleine weiß schimmernde Spur an einer Kante seines silberlackierten Stoßfängers. Keine drei Zentimeter lang. Wohlgemerkt: keine Beule, kein Kratzer, keine Delle. Nur diese oberflächliche Schleifspur auf dem Teil, der dafür da ist, Stöße abzufangen und Schäden zu minimieren. Darum heißt er ja Stoßfänger.

Wochen später kommt die Rechnung: Die Komplettlackierung des Teils kostet 700 Euro.

„Mein Gott!“ denke ich. Es ist doch bloß ein Auto. Und es ist bloß ein kleiner weißer Strich auf dem silbernen Lack des Stoßfängers. Na zum Glück bin ich ja versichert, auch wenn ich meinen Schadensfreiheitsrabatt nun einbüße. Der zornige Verkehrsteilnehmer kann sich also wieder beruhigen.

Aber mich ärgert es trotzdem.

Weil wir die Verhältnismäßigkeit aus dem Blick verlieren und banalen Dingen einen ganz großen Wert zuschreiben. Dafür bezahlen wir Gutachter, Schadensabteilungen und Versicherungen.

Der konkrete Umrechnungskurs von „banal“ zu „wichtig“ liegt bei 1 zu 46.

Denn die blöde Schleifspur hat angeblich genau so viel Wert wie 46 Ferientage für Kinder. Für 15 Euro kann nämlich ein Kind aus ärmeren Familien einen tollen Ferientag erleben. Und weil das wirklich wertvoll ist, organisiert die Diakonie die Spendenaktion „Kindern Urlaub schenken“.

Wie wäre es, wenn man den Gegenwert für banale Schäden zwar korrekt berechnet, ihn dann aber in unsere Kinder investiert anstatt in Lack?

Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg


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