13.07.2017
Wegweiser
Eine fremde Stadt, zum Bahnhof mit einmal Umsteigen und nur noch zwanzig Minuten bis zur Abfahrt des Zuges. Das wird knapp. An der Haltestelle steht ein Mann, der ganz offensichtlich viel Zeit hat, an Haltestellen zu stehen. Ein bisschen abgerissen sieht er aus. Sein Frühstück scheint vorwiegend flüssig gewesen zu sein. „Kommen Sie mit, ich kenne den Weg“, sagt er zu mir. Aus irgendeinem Grund vertraue ich ihm. Er steigt in eine Bahn und ich folge ihm. Verrückt, oder?
Es ist voll, die Zeit zwischen den Haltestellen vergeht viel zu langsam. Ich schaue nervös auf die Uhr. Ab und zu fange ich den Blick des Mannes auf. Beruhigend nickt er mir zu. Und die Bahnlinie scheint die richtige zu sein.
An der Umsteigehaltstelle steigt er mit mir aus. Die nächste Bahn kommt erst in fünf Minuten. Das wird nichts mehr. Ich suche schon nach der nächsten Zugverbindung. „Na los, dann müssen wir rennen, dann schaffen Sie es“. Und schon rennt er über die Kreuzung, die Ampel ist schon dunkelgrün. Ich folge ihm und muss dabei lachen. Verrückt, so einem Typen zu vertrauen. Verrückt, ihm jetzt hinterherzurennen. Aber da ist tatsächlich schon der Bahnhof. Mein Wegweiser hat jetzt keine Puste mehr, er bleibt zurück. „Danke!“ rufe ich, „los, laufen Sie“ ruft er.
Ich habe den Zug gekriegt und war pünktlich zuhause. Vertrauen ist etwas anderes als Ganz sicher sein. Vertrauen ist manchmal verrückt. Aber es bringt einen weiter.
Vertrauen Sie heute einmal auf andere!
wünscht Pfarrerin Kathrin Oxen aus der Lutherstadt Wittenberg