02.11.2024
Wer sucht - findet
Irgendwie ist es eine gewohnte Routine, wenn ich morgens meinen Ehering auf den linken Ringfinger stecke. Natürlich weiß ich, dass die Liebe und Treue zu meiner Frau nicht an diesem schmalen Goldring hängt – aber ich trage ihn trotzdem als Zeichen unserer Treue sehr gerne! Und ich habe noch die Erzählung meiner Mutter im Ohr, die einmal beim Waschen meiner Windeln ihren Ring verloren hatte und dann bis zu ihrem Tod den Ring meines Vaters am Zeigefinger trug - weil der Ring meinen Vater bei der schweren Handarbeit behinderte und sie zu arm waren, sich neue Ringe zu kaufen. Der Ring ist ein altes Symbol von gegenseitiger Erwählung und persönlicher Bindung und Treue. Wenn am Altar ein Paar sich wechselseitig den Ring nach dem Ja Wort aufsteckt, herrscht meist eine intime, dichte Atmosphäre – für viele Paare ist der Ringtausch der wichtigste Moment bei der Trauung. Manchmal lege ich meinen Ring ab – weil er mich beim Tragen drückt – und ich habe ihn schon mehrmals verloren, weil ich vergaß, wo ich ihn abgelegt hatte. Und habe ihn Gott sei Dank immer wieder gefunden, wenn ich lange genug gesucht habe. Dann war die Freude groß. Fast so groß wie in der Geschichte, in der eine Witwe ihr ganzes Haus auf den Kopf stellt und schließlich das kleine Geldstück wiederfindet, das sie gesucht hat. Die Freude über das Wiederfinden überstieg um ein Mehrfaches den Wert der Münze. Ein echter Tipp auch für Gottsucher: Gott lässt sich gerne finden, wenn wir ihn suchen. Auch wenn wir ihn manchmal aus den Augen verlieren.
Johann Schneider, evangelischer Regionalbischof aus Halle